Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
hingehen und ihm einen Besuch abstatten.«
»Du magst ihn nicht?«, erkundigte sich Josh neugierig.
»Er war mein Freund, mein bester Freund. Er stand mir näher als ein Bruder. Er hat meine Schwester geheiratet und ich fand das toll …« Prometheus schwieg.
»Ist etwas passiert?«
»Die Schwerter sind passiert. Mars fand in einem alten Tempel auf einer verlassenen Insel Excalibur. Und es hat ihn zu Clarent geführt. Zephaniah behauptete, es seien die Schwerter gewesen, die ihn korrumpiert hätten, aber ich habe ihr das nie wirklich abgenommen. Ich weiß nur, dass er das Volk verraten hat, das er zu beschützen geschworen hatte. Ich habe ihn über die ganze Erde und durch die Schattenreiche gejagt, und als ich kurz davor stand, ihn mir zu schnappen, war er plötzlich verschwunden. Später, Jahrhunderte später, habe ich herausgefunden, dass meine Schwester ihn versteckt hat, um ihn vor meiner Rache zu schützen. Aber wo sie ihn hingebracht hat, wusste ich nicht.« Er zog eine Grimasse, die ein Lächeln hätte sein können. »Bis heute nicht. Danke.«
»Lass ihn in Ruhe«, verlangte Josh heftig. »Er hat ständig fürchterliche Schmerzen. Er steckt in einer Hülle aus Lavagestein, und das schon seit Tausenden von Jahren.«
»Gut«, erwiderte Prometheus mitleidlos. »Ein geringer Preis für das, was er meinem Volk angetan hat.«
»Deinem Volk?«
»Meinem Volk. Den Humani. Ich habe sie erschaffen, Josh. Meine Aura war es, die sie zum Leben erweckt hat. Jeder Humani dieser Welt – auch du – trägt einen Funken meiner Aura in sich. Weißt du, warum Mars Ultor die Menschen versklavt und auf den alten Pyramiden geopfert hat?«
Josh schüttelte den Kopf, doch dann fielen ihm die flackernden Bilder wieder ein, die er wahrgenommen hatte, während er Clarent bei sich gehabt hatte. Plötzlich ergab alles einen Sinn.
»Wegen dieses Lebensfunkens. Mars Ultor hat sich meiner Aura bedient.«
»Warum?«
»Auch das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.« Unvermittelt wechselte er das Thema. »Du bist hier, um Feuermagie zu lernen.«
»Ja, wenn du sie mir beibringen willst.«
»Ich werde es tun. Aber du sollst wissen, dass ich es gegen mein besseres Wissen tue. Ich tue es, weil meine Schwester gesagt hat, ich soll es machen. Und wie du selbst weißt, ist es so gut wie unmöglich, einer älteren Schwester etwas abzuschlagen. Außerdem weil ich glaube, dass sie sich noch nie geirrt hat.«
Josh seufzte. »Das klingt nach Sophie.«
Prometheus machte eine Bewegung mit dem Daumen und eine flache graue Scheibe segelte durch die Luft.
Josh erschrak, fing sie aber reflexartig mit der rechten Hand und beugte sich dann vor, damit er sie im Licht des Fernsehapparats genauer betrachten konnte. Die Scheibe war aus Stein und ungefähr so groß wie sein Handteller. Sie war glatt poliert und wies Spuren von Gold- und Bronzefarbe auf. In die Mitte war ein Gesicht mit runden Augen und offenem Mund eingeritzt und darum herum eine Reihe von Kreisen. In jeden dieser Kreise waren mehrere eckige Symbole eingekerbt worden. Josh runzelte die Stirn. Etwas Ähnliches hatte er schon einmal gesehen. Dann fiel es ihm ein. »Ein Aztekenkalender. Meine Mom hat genauso einen in ihrem Arbeitszimmer.«
»Er wird auch Sonnenstein genannt«, erklärte Prometheus leise.
Josh drehte die glatte Steinscheibe in den Händen. Sie fühlte sich warm an.
»Ich weiß, dass Saint-Germain deine Schwester in Feuermagie unterwiesen hat.«
Josh wand sich unbehaglich. »Flamel hat mir ausdrücklich gesagt, dass ich den Namen dir gegenüber nicht erwähnen soll.«
Prometheus wedelte mit seiner großen Hand. »Saint-Germain ist ein Spitzbube, ein Lügner und Dieb, aber ich habe ihm verziehen. Er hat lange Zeit bei mir gelernt; dann wurde er entweder faul oder gierig. Er hat mir das Geheimnis des Feuers gestohlen, aber« – er zuckte mit den Schultern – »ich konnte ihm nicht lange böse sein, da ich das Feuer ursprünglich selbst gestohlen hatte. Irgendjemand – nicht ich – hat Saint-Germain beigebracht, wie Feuermagie anzuwenden ist, aber derjenige kannte nicht alle meine Geheimnisse. Ich bringe dir mehr über die Magie des Feuers bei als deine Schwester je wissen wird. Schau auf den Sonnenstein.«
Josh blickte auf seine Handfläche und ihm blieb die Luft weg. Die Scheibe hatte in einem mattgoldenen Licht zu pulsieren begonnen, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte Josh, die eingeritzten Augen in dem Gesicht hätten geblinzelt und die Zunge hätte
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