Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
gezuckt.
»Ich habe geschworen, nie mehr einem Humani Feuermagie beizubringen, doch es gibt Schwüre, die man brechen sollte.«
Gelbe Rauchkringel stiegen von dem Stein auf und Orangenduft erfüllte den Raum.
»Du bist die Sonne, Josh, Feuer ist dein natürliches Element. Deine Schwester ist der Mond, und ihr Hauptelement ist das Wasser. Ja, deine Schwester kennt sich mit Feuer aus, aber du, Josh, wirst dich hundertmal besser damit auskennen!«
Im nächsten Moment loderte die Scheibe hell auf.
KAPITEL ACHTUNDVIERZIG
S ophie schrie.
Sie sprang vom Küchentisch auf und hielt sich die Hand.
Perenelle und Aoife, die rechts und links von ihr gesessen hatten, waren fast im selben Augenblick ebenfalls auf den Beinen. Nur Flamel und Niten blieben sitzen.
»Was ist?«, fragte Perenelle.
Sophie hielt die rechte Hand hoch. Die Handfläche war feuerrot. »Ich dachte … Ich hatte plötzlich das Gefühl, als hätte ich mich an etwas verbrannt«, antwortete sie und musste Tränen wegblinzeln.
Perenelle ging zum Spülstein, ließ kaltes Wasser über ein Geschirrtuch laufen und drückte das Tuch auf Sophies Handfläche. »Dann haben sie also angefangen.« Sie blickte dem Mädchen in die Augen. »Prometheus unterrichtet deinen Bruder in Feuermagie.«
»Aber es hat nicht wehgetan, als Saint-Germain es mir beigebracht hat.«
»Es gibt so viele Arten, Magie zu lehren, wie es Lehrer gibt«, erklärte Perenelle.
»Ich sollte zu ihm …«, begann Sophie.
»Das geht nicht. Da muss er alleine durch.« Perenelle zog Sophie zum Tisch zurück. »Setz dich. Auch wir haben etwas zu erledigen.«
Perenelle setzte sich Flamel gegenüber an den kleinen Küchentisch. Aoife hatte sich den dritten Stuhl gegenüber von Sophie genommen und Niten saß auf der Couch, auf der Sophie vorher geschlafen hatte. Langsam und methodisch polierte er mit einem weichen Tuch die Schneide seines Katana.
Mitten auf dem Tisch stand ein Holzkästchen.
Sophie betrachtete es und ihr fiel auf, dass ein Hauch von exotischen Gewürzen in der Luft lag. Einen der Düfte erkannte sie: Es war Jasmin, Tante Agnes’ Lieblingsduft. Dann fiel ihr auch ein, dass sie die dreifache Spirale, die in die Seiten und den Deckel des Kästchens geschnitzt war, schon einmal gesehen hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde stand Zephaniah vor ihrem geistigen Auge, wie sie dieselbe Dreifachspirale, eingeritzt in die Glaswände der namenlosen Stadt, betrachtete.
Sophie schaute zu, wie Flamel vorsichtig den Deckel abhob, in das Kästchen griff und etwas herausholte, das in einer aus Gräsern und Weidenzweigen kunstvoll geflochtenen Hülle steckte.
Nacheinander begannen die Auren aller Anwesenden zu knistern und Lichtfunken zu versprühen – grün und weiß, silbern und grau und königsblau die von Niten. Perenelles Haar hob sich von ihren Schultern, als sich Elektrizität darin entlud.
Die Zauberin nahm das Kästchen samt Deckel und legte beides auf den Boden. Dafür stellte der Alchemyst den Gegenstand in der Grashülle in die Mitte des Tisches. Als er an den verknoteten Grashalmen zu ziehen begann, schlängelten sich knisternde Blitze über seine Finger.
»Du hast das hier vielleicht schon einmal gesehen«, sagte Perenelle zu Aoife. Dann wandte sie sich an Sophie. »Du möglicherweise auch. Na ja, du nicht, aber die Hexe. »Es könnte sogar sein«, fügte sie wie nebenbei hinzu, »dass du mehr darüber weißt als wir.«
Flamel löste die Knoten in den Grashalmen, die Hülle fiel auseinander und zum Vorschein kam ein kunstvoll gearbeiteter, wunderschöner Totenschädel aus Kristall, der fast – aber nicht ganz – dem eines Menschen glich. Als der Alchemyst die Hand darauflegte, pulsierte eine Welle mintgrünen Lichts langsam durch den klaren Kristall. Perenelle legte ihre Hand auf die ihres Mannes und der Schädel begann zu leuchten.
»Jetzt du«, sagte Flamel zu Aoife.
Sie sah ihn mit einem Ausdruck unüberwindlichen Abscheus an. »Ich fasse dieses widerliche Ding nicht an«, sagte sie heiser.
»Wie du willst.« Er blickte Sophie an. »Wir brauchen die Kraft deiner Aura …«
Sophie war wie betäubt vor Entsetzen. Sie hatte das Gefühl, als sei alle Luft aus dem Zimmer herausgesaugt worden. Sie hatte das schon einmal erlebt …
Zephaniah war wieder in der namenlosen Stadt.
Sie versuchte ihren Bruder vor den Horden von Ungeheuern zu schützen, die sich auf dem Platz vor der Bibliothek versammelten. Doch in der Bibliothek war es nicht weniger gefährlich. Die
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