Nicholas Flamel Bd. 5 Der schwarze Hexenmeister
Eltern sich von den Urvätern unterschieden haben, die vor ihnen da waren.« Der Mann mit der Hakenhand wandte sich wieder an Scathach. »Wenn die Insel nicht untergeht, hast weder du je existiert noch hat es deine Schwester.«
Scathach schüttelte den Kopf. »Aber ich bin hier und deshalb muss die Insel gesunken sein.«
»In diesem Zeitstrang sicherlich –«, begann Marethyu, doch Shakespeare unterbrach ihn.
»Erzähle mir etwas über die Fäden der Zeit«, bat er.
Der Mann mit der Hakenhand wickelte sich fester in seinen Umhang und wandte sich der Gruppe zu. »Es gibt viele Zeitstränge. Der Ältere Kronos kann über die verschiedenen Fäden in der Zeit vor und zurück wandern, wenn auch nur als Beobachter. Er greift nie ein. Eine einzige Veränderung würde sich auf den gesamten Zeitstrang auswirken, genauso wie auf alle anderen, die von ihm ausgehen.«
»Mein Meister, Tammuz, konnte durch die Zeit reisen«, sagte Palamedes.
Marethyu nickte. »Aber er konnte nur in die Vergangenheit zurückgehen und sehen, was geschehen war. Kronos kann auch in die Zukunft gehen und sehen, was möglicherweise geschehen wird.«
Saint-Germain blickte zu Marethyu auf. »Ich hatte schon einmal mit diesem Widerling Kronos zu tun. Dem ist nicht zu trauen.«
Beim Lächeln bildeten sich Fältchen um Marethyus Augen. »Er kann dich nicht leiden, das stimmt. Wollen wir hoffen, dass ihr euch nicht begegnet.«
»Und was macht nun diesen Zeitstrang zu etwas so Besonderem?«, fragte Saint-Germain.
Marethyu drehte sich um und blickte über die goldene Stadt. »Jedes große Ereignis lässt mehrere Zeitströme entstehen, unterschiedliche Möglichkeiten und Chancen.« Er wedelte mit der Hand. »Du kannst dir sicher vorstellen, dass die Zerstörung dieses Ortes eine außergewöhnlich große Zahl unterschiedlicher Zeitströme hervorgebracht hat.«
»Ja … und?« Saint-Germain klang ungeduldig.
»Wir sind durch die dreizehn Tore des Schattenreichs gegangen, um hierher zu gelangen. Kronos hat sie für mich so angeordnet, dass wir uns nicht nur in der Zeit zurück, sondern auch über die Zeitstränge hinweg bewegt haben. Hier, jetzt , befinden wir uns im allerersten Zeitstrang, bevor die Welt versank und die Zeitströme sich aufgeteilt haben.«
»Aber warum?«, wollte Shakespeare wissen. »Wenn wir nichts unternehmen, geht die Welt unter, und alles läuft so weiter wie immer?«
»Nein, nein, die Älteren haben unter Osiris und Isis einen Plan ausgearbeitet, der alles verändern wird. Sie wollen dafür sorgen, dass Danu Talis nie unterging.«
Saint-Germain nickte. »Ich an ihrer Stelle würde dasselbe tun. Und ich gehe davon aus, dass sie Jahrtausende Zeit hatten, um ihren Plan zu perfektionieren.«
»Was passiert, wenn es ihnen gelingt?«, fragte Johanna.
»Dann hört alles, was du kennst, einfach auf zu existieren«, wiederholte Marethyu. »Nicht nur in dieser Welt, sondern auch in den Myriaden von Schattenreichen. Milliarden von Leben, mehrere zehn Milliarden Leben sind dann verloren. Aber ihr – alle, die ihr hier seid – habt die Macht, dies zu verhindern.«
Johanna von Orléans ließ den Blick über die Insel schweifen und griff dabei nach der Hand ihres Mannes. Der Graf von Saint-Germain umschloss mit beiden Händen die ihre und drückte sie fest. Dann beugte er sich zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wange. »Sieh es einfach als ein weiteres Abenteuer«, flüsterte er. »Wir haben schon so viele erlebt.«
»Aber keines wie dieses«, erwiderte sie leise auf Französisch.
Shakespeare rückte näher an Palamedes, den sarazenischen Ritter, heran. »Ich wünschte, ich würde noch schreiben«, murmelte er. »Was für eine Geschichte könnte man daraus machen!«
»Was mir Sorge bereitet, ist das Ende dieser Geschichte«, knurrte Palamedes mit seiner tiefen Bassstimme. »Mein größter Wunsch war immer ein ruhiges Leben. Und doch lande ich ständig mitten in Kriegen und Schlachten.« Er schüttelte den Kopf.
»Wie alt ist die Stadt wohl?«, überlegte Saint-Germain laut. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er auf das Labyrinth aus Straßen und Kanälen hinunter. »Sie erinnert mich ein wenig an Venedig.«
Marethyu zuckte mit den Schultern. »Die Stadt ist jünger als die Insel und die Insel ist jünger als die Erde. Es heißt, dass die Großen Älteren die Insel durch die Kombination sämtlicher Zweige der Elemente-Magie an einem einzigen Tag gehoben haben. Es galt als die größte magische Leistung, die die Welt je
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