Nicholas' Geheimnis (German Edition)
unterschiedlichsten Kulturen. Auf ihrem Weg durch die verwinkelten Gänge und Zimmer erlebte Melanie eine Überraschung nach der anderen: elegantes Waterfordkristall, eine mittelalterliche Armbrust, kostbares französisches Porzellan neben einem Schrumpfkopf aus Ecuador.
Der Architekt muss verrückt gewesen sein, dachte Melanie und bestaunte die Türrahmen mit den geschnitzten Wolfsköpfen und Dämonen. Herrlich verrückt. Dieses Haus war ein Märchenschloss mit Erkern und endlosen dunklen Korridoren, in denen flüsternde geheimnisvolle Schatten beheimatet schienen.
Das große Bogenfenster im oberen Stock vermittelte Melanie den Eindruck, auf einer vorspringenden Felskante zu stehen. Gleichermaßen angstvoll und begeistert schaute sie über das steil abfallende Kliff zum Meer hinunter.
Nick beobachtete ihren staunenden, leicht benommenen Gesichtsausdruck. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen.
Melanie drehte sich zu ihm um. In ihren Augen spiegelten sich die unterschiedlichsten Empfindungen. »Andrew ist überzeugt, Sappho hätte sich von diesem Kliff ins Meer gestürzt. Langsam glaube ich auch daran.«
»Andrew hat manchmal die fantastischsten Vorstellungen«, meinte Nick spöttisch.
»Du aber auch. Schließlich lebst du hier.«
»Du hast Augen wie geheimnisvolle leuchtende Seen … Nixenaugen.« Er hob ihr Kinn an. »Gefährliche Augen. Man versinkt in ihren Tiefen und ist verloren.«
Melanie schaute Nick stumm an. In seinen Augen lag kein Spott, keine Arroganz, nur Sehnsucht und eine seltsame Trauer, die verführerischer war als wilde Leidenschaft.
»Ich bin nur eine Frau, Nicholas«, erwiderte sie leise.
Langsam veränderte sich Nicks Gesichtsausdruck. Er packte sie leicht am Arm. »Komm, lass uns wieder hinuntergehen. Es wird Zeit für einen Drink.«
Als sie den Salon betraten, fielen Melanie wieder ihre ursprünglichen Absichten ein. Ein paar sanfte Worte und sehnsüchtige dunkle Augen sollten sie nicht davon ablenken, dass sie von Nick einige Antworten haben wollte. Ehe sie allerdings mit der Befragung beginnen konnte, wurde von außen die Tür geöffnet.
Ein älterer grauhaariger Mann betrat lautlos den Raum. Ein geschwungener, an den Enden aufwärts gezwirbelter Schnurrbart zierte das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht mit dem kantigen Kinn. Breit und vierschrötig wie ein Rammbock, blieb er einen Augenblick neben der Tür stehen. Dann fiel sein Blick auf Melanie. Er verbeugte sich höflich und entblößte lächelnd sein kräftiges, aber bereits lückenhaftes Gebiss.
»Stephanos – Miss James«, stellte Nick vor. »Stephanos ist mein … persönlicher Leibwächter.«
Das Zahnlückenlächeln wurde breiter bei dieser Bezeichnung. »Stets zu Diensten, Ma’am.«
Stephanos wandte sich an Nick. »Die bewusste Angelegenheit ist erledigt, Sir.« Sein Ton war respektvoll, jedoch nicht unterwürfig. »Aus Athen sind Meldungen für Sie eingetroffen.«
»Gut. Ich kümmere mich später darum.«
»In Ordnung.« Der kleine Mann verschwand.
Melanie schaute zu Nick hinüber, der sich gerade umwandte, um die Drinks zu mixen. »Was hattest du neulich Nacht am Strand zu tun?« fragte sie geradeheraus.
»Ich dachte, wir hätten uns auf bewaffneten Überfall geeinigt?« fragte Nick kühl.
»Das war nur ein Teil deiner Unternehmungen in dieser Nacht.« Melanie sah Nick scharf an. »Worum ging es dir damals wirklich – um Schmuggel?«
Nick zögerte kaum merklich. Da er mit dem Rücken zu Melanie stand, konnte sie seinen jäh veränderten, wachsam gewordenen Gesichtsausdruck nicht sehen. Volltreffer, dachte er. Haarscharf ins Schwarze gezielt!
»Darf ich fragen, was dich zu dieser erstaunlichen Vermutung veranlasst?« Nick wandte sich zu Melanie um und reichte ihr ein Glas.
»Weich mir nicht aus. Ich habe dich gefragt, ob du ein Schmuggler bist.«
Nick setzte sich Melanie gegenüber, betrachtete sie lange und überlegte sich dabei, wie er jetzt vorgehen sollte. »Zuerst sagst du mir, wie du darauf kommst.«
»Du warst in dieser Nacht mit dem Boot draußen, das war mir sofort klar, als ich den Tanggeruch wahrnahm.«
Nick schaute in sein Glas und nahm dann einen Schluck. »Es geht doch nichts über logische Schlussfolgerungen. Eine nächtliche Fahrt mit dem Boot bedeutet zwangsläufig Schmuggel, so einfach ist das.«
Melanie biss bei dieser spöttischen Bemerkung die Zähne zusammen, aber dann sprach sie unbeirrt weiter. »Zum Fischen bist du jedenfalls nicht hinausgefahren, sonst hättest du
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