Nicholas' Geheimnis (German Edition)
erwähnten Sie Liz. Meinen Sie Mrs. Theocharis? Wohnen Sie bei ihr?«
»Ja, für ein paar Wochen.« Ein neuer Gedanke schoss Melanie durch den Kopf. »Sie wohnen in Nicks Cottage, stimmt’s?«
»Richtig. Ich verbringe einen längeren Urlaub dort.« Andrew legte seinen Block ab und zeichnete Muster in den Sand. Anscheinend konnte er die Hände nicht still halten. »Nick ist mein Cousin.« Als er Melanies Verwunderung bemerkte, fügte er hinzu: »Ich gehöre nicht zum griechischen Zweig der Familie. Unsere Mütter sind verwandt.«
»Also ist Nicks Mutter Amerikanerin?« Das erklärte Nicks flüssiges Englisch.
»Geldadel aus San Francisco«, erklärte Andrew leichthin. »Nachdem Nicks Vater gestorben war, heiratete sie wieder. Jetzt lebt sie in Frankreich.«
»Und Sie besuchen Ihren Cousin.«
»Nick hat mir das Cottage angeboten, als er hörte, dass ich an einem neuen Roman arbeite.«
Andrews Augen waren blau, etwas dunkler als Melanies. In seinem offenen Blick konnte sie nichts erkennen, das sie an Nick erinnerte.
»Ich wollte sowieso ein paar Monate hier verbringen«, fuhr Andrew fort. »So traf es sich sehr gut. Lesbos, Sapphos Insel. Die alten Sagen haben mich von jeher fasziniert.«
»Sappho«, wiederholte Melanie und wandte ihre Gedanken von Nick ab. »Oh ja, die Dichterin.«
»Die zehnte Muse. Sie lebte hier, in Mytilini.« Verträumt blickte Andrew über den Strand zu dem grauen Haus auf dem Kliff hinüber. »Wer weiß, vielleicht hat sie sich von dort oben herabgestürzt, verschmäht und verlassen von Phaon …«
»Eine seltsame Vorstellung.« Melanie blickte zu dem schroffen Felsenkliff hinüber. »Ob ihr Geist ruhelos in dem Haus umherirrt in mondlosen Nächten?« Ein Schauer überlief Melanie. »Diese düsteren Mauern wirken seltsam gespenstisch.«
»Waren Sie schon in dem Haus?« fragte Andrew leise, den Blick unverwandt auf die graue Villa gerichtet. »Es ist fantastisch. Man kann es nicht beschreiben, man muss es sehen.«
»Nein.« Melanie täuschte ein Lächeln vor. »Aber Nick hat sich erboten, es mir heute Nachmittag zu zeigen.«
»Er hat Sie eingeladen?« Andrew schien seinen Ohren nicht zu trauen. »Dann müssen Sie Nick sehr beeindruckt haben.« Er nickte. »Kein Wunder. Er hat einen Blick für Schönheit.«
Melanie lächelte vage. Andrew konnte ja nicht wissen, dass weder Schönheit noch Charme diese Einladung bewirkt hatten. »Arbeiten Sie oft hier am Strand? Ich bin sehr gern hier.« Melanie zögerte und sprach dann entschlossen weiter. »Neulich nachts habe ich hier sogar bei Mondschein gebadet.«
Dies schockierte oder erschreckte Andrew offensichtlich in keiner Weise. Er lächelte schief. »Schade, dass ich das verpasst habe. Ich treibe mich überall auf der Insel herum, am Strand, oben auf dem Kliff, in den Olivenhainen – ganz nach Lust und Laune.«
»Demnächst werde ich auch auf Entdeckungsreise gehen.« Melanie dachte an lange Nachmittage, die sie in einer kleinen abgeschiedenen Bucht verträumen wollte.
»Ich würde Sie gern herumführen.« Andrews Blick glitt über Melanies Haar. »Inzwischen kenne ich diesen Teil der Insel wie ein Einheimischer. Wenn Sie mich brauchen, finden Sie mich hier am Strand oder im Cottage. Es ist ganz in der Nähe.«
»Das nehme ich gern an.« Melanies Augen funkelten amüsiert. »Sie haben nicht zufällig eine Ziege?«
»Eine Ziege?«
Melanie musste über Andrews Gesichtsausdruck lachen. Sie tätschelte leicht seine Hand. »Schon gut, Andrew, vergessen Sie es«, sagte sie rasch. »So, und jetzt muss ich mich schleunigst umziehen.«
Andrew stand mit Melanie zusammen auf und ergriff ihre Hand. »Ich werde Sie wieder sehen.« Das war eine Feststellung und keine Frage.
»Bestimmt. Die Insel ist nicht allzu groß.«
Andrew lächelte. »Vielleicht ist das nicht der einzige Grund.« Er sah Melanie nach, als sie fortging. Dann setzte er sich wieder auf den Felsvorsprung der steilen Klippen und schaute aufs Meer hinaus.
Nicholas Gregoras erschien pünktlich um ein Uhr. Fünf Minuten später scheuchte Liz Melanie aus dem Haus.
»Viel Spaß, Darling, und lass dir ruhig Zeit! Melanie wird begeistert sein von Ihrem Haus, Nick. Die vielen verwinkelten Korridore und Treppen und die herrliche Aussicht auf das Meer … Du hast doch keine Höhenangst, Melanie?«
»Unsinn! Ich bin durch nichts zu erschüttern.«
»Also dann, viel Vergnügen.« Liz drängte die beiden wie zwei trödelnde Schulkinder zur Tür hinaus.
»Ich warne dich, Nick«,
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