Nicht die Bohne!
vielleicht noch ein klein wenig zu früh ist. Und an Untersuchungen würde ich nichts weiter empfehlen. Ihre Schwester hat ja kein erhöhtes Risiko, und die Tests bisher waren völlig ausreichend.« Abwartend schaut er Mara an, falls da noch eine weitere Frage in ihr nach außen drängt, aber sie nickt nur, woraufhin Dr. Ganter uns beiden die Hand drückt und entschwindet.
»O mein Gott!« Mara setzt sich auf den Rand der Liege, während ich mich aufrichte.
»Was ist?«, frage ich und wische mir den Rest der Glibbermasse vom Bauch.
»Da ist ein Baby in deinem Bauch!«
»Äh … ja«, antworte ich und schlüpfe in meine Strickjacke. Das ist ja nun keine ganz neue Erkenntnis.
»Nein, im Ernst. Ein ECHTER kleiner Mensch!« Mara hat mir ihre Hand auf die Schulter gelegt und blickt mir tief in die Augen. Ich muss lachen.
»Es ist so … wunderbar! Ja, das ist es. Du bekommst ein Kind! Hoffentlich wird es ein Mädchen. Damit kann ich, glaube ich, besser umgehen. Aber auch wenn es ein Junge wird, ist das okay. Ich meine, den muss man halt gleich richtig erziehen.« Mit diesen Worten schwingt sie sich ihre Tasche über die Schulter und nimmt mir das Ultraschall-Foto aus der Hand. »Darf ich das behalten?«
Ich nicke leicht verwirrt. So kenne ich Mara wirklich nicht. Sie wirkt so … gerührt? Emotional aufgewühlt? Ich kann es nicht genau benennen, aber wir verlassen die Praxis in stiller Eintracht und kehren auf dem Rückweg bei McDonald’s ein. Dahin geht Mara sonst niemals nie, und ihre Mittagspause ist auch schon lange vorbei. Aber heute ist alles anders, das wird besonders deutlich, als sie das Bohnen-Bild unauffällig in ihren Filofax gleiten lässt.
Und weil der Tag sowieso schon sonderbar schön ist, berichte ich ihr zwischen einem Big Mac und einem Cheeseburger mit Pommes von Simon. Bis zu diesem Moment war mir noch gar nicht bewusst, dass es da etwas zu berichten gibt. Na gut, ein bisschen ist das natürlich gelogen. Ich finde ihn schon ganz arg toll, den großen, blonden, unzuverlässigen Mann mit den kleinen Sommersprossen. Das Gefühl, das mich in seiner Gegenwart beschleicht, erinnert mich vage an die fünfte Klasse und meine frühpubertäre Schwärmerei für das männliche Geschlecht im Allgemeinen und Andreas Lokotz im Besonderen. Noch nicht mal der schlimme Nachname hat mich davon abgehalten, regelmäßig kurz vor der Ohnmacht zu stehen, wenn ich ihm im Schulflur begegnet bin.
Jetzt – reif, weise und bald Mutter – ist das Gefühl erstaunlicherweise durchaus ähnlich: Ich finde ihn toll. Sexy, attraktiv, anziehend, na all diese Adjektive, die gern in schlechten Liebesromanen verbraten werden, wenn der Held die Bühne betritt.
Mara zeigt sich erfreut von dieser Entwicklung, dennoch vermuten wir beide beim zweiten Eis mit Schokoladensoße, dass mein hormonverseuchter Zustand mir vielleicht die Sinne vernebelt. Aber Hormone hin oder her: Irgendetwas an Simon, von dem ich im Übrigen noch nicht einmal den Nachnamen weiß, berührt mich so tief, dass ich letzte Nacht sogar von ihm geträumt habe. Und in meine Träume schaffen es nur wenige Männer. So viel ist mal klar.
Kapitel 19
Die Tage vergehen ohne nennenswerte Erfolge in der Wohnungssuche, dafür gibt es ein neues Ritual in meinem Leben: das Tee-in-der-Werkstatt-mit-Simon-Ritual.
Da ich ja sehr flexible Arbeitszeiten habe und in dieser Zeit auch noch so genüssliche, aber unproduktive Dinge tue wie Hirsepampe essen oder vor dem Kamin herumlungern, bin ich fast immer volle Tage auf dem Hof. Edgar hat mir einen Wecker geschenkt, der jeden Tag um fünf Uhr nachmittags klingelt. Das soll ich als Startzeichen nehmen, um unverzüglich den Hof zu verlassen. Schließlich sei ich eine schwangere Teilzeitkraft, deshalb sei es mir nicht zuzumuten, zu lange an meiner Arbeitsstätte zu verweilen. Bei weiterer Zuwiderhandlung würde er umgehend einen Betriebsrat gründen und mich täglich um fünf zwangsweise von meinem Arbeitsplatz entfernen lassen. Also packe ich pünktlich zum Weckergeläut meine Siebensachen, koche zwei Tassen Tee – Kamille, eigene Ernte – und gehe zu Simon.
Dort lungere ich dann in seiner nach Sägespänen duftenden Holzwerkstatt herum und berichte dem »Tischler des Jahres« von meinem Tag. Dieser Titel wurde ihm erst vor zwei Wochen feierlich bei einem gemeinsamen Mittagessen verliehen, weil er Elenas antikes Holzbett mit viel Liebe und unter Einsatz von ungefähr drei Litern Holzleim vor dem Zusammenbruch gerettet hat.
Der
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