Nicht die Bohne!
Wickelkommode bestellen wir nichts, weil ich, was die Dinge betrifft, die zur Aufzucht von Nachwuchs notwendig zu sein scheinen, bereits über eine recht ansehnliche Ausstattung verfüge. Andrea hat jetzt schon fünf Umzugskartons vollgepackt und in ihrer Garage zwischengelagert, und es werden wöchentlich mehr. Mich beschleicht langsam die Befürchtung, dass sie meine Schwangerschaft zum Anlass nimmt, ihr Haus auszumisten und mir alles zu »schenken«, was sie nicht mehr braucht. Aber da ich ja in schwierigen persönlichen Verhältnissen lebe, sollte ich nehmen, was ich kriegen kann.
Toms letzte Worte, bevor er auf meinem Sofa in einen trauer- und avernabedingten Tiefschlaf fällt, sind: »Diese Wohnung ist aber echt nicht kindersicher!«
Damit beschert er mir eine schlaflose Nacht, denn er erinnert mich an etwas, das ich schon vor Wochen festgestellt habe: Diese Wohnung ist nicht nur nicht kindersicher, sie ist eine kindermordende Todesfalle. Da helfen auch keine Steckdosensicherungen und Babylaufställe. Ich muss dringend hier raus.
Kapitel 18
Wohin mit der Bohne und mir? Dieser Gedanke verfolgt mich in den kommenden Tagen quasi rund um die Uhr. Ich durchforste die einschlägigen Internetseiten, lese aufmerksam sämtliche Wohnungsangebote in der Tageszeitung und sogar dem Braunschweiger Kurier , aber es gibt nichts, was auch nur annähernd infrage käme. Entweder siebter Stock ohne Fahrstuhl oder ein Rottweiler-Zuchtverein in der Nachbarschaft.
Am 17. Februar habe ich wieder einen Vorsorgetermin bei Dr. Ganter. Ich muss gestehen, dass ich ganz heiß darauf bin, News aus dem Uterus zu bekommen. Es fühlt sich an, als wären diese kurzen Ultraschallsequenzen eine direkte Verbindung zu der Bohne, die so still und leise in meinem Körper vor sich hin lebt und nichtsdestotrotz mein Leben völlig auf den Kopf gestellt hat. Ein kurzer Blick, der mir bestätigt, dass sie wirklich da drin ist.
Auf diesen Ultraschalltermin freue ich mich besonders. Laut Dr. Ganter wird es das erste Mal nicht »von unten« sein, wie er sich etwas verschämt ausdrückte, sondern über den Bauch. Was wiederum bedeutet, dass das Baby-Watching nicht mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden muss.
Als Auswahl an passenden Begleitpersonen standen einige Freiwillige zur Verfügung. Schlussendlich hat Mara das Rennen gemacht. Andrea kann nicht, da jetzt Prinzessin Klara die Rüsselseuche hat – Mütter-Jargon für einen grippalen Infekt –, und Jutta muss sich schnell noch mal mit ihrem Ex vor Gericht über irgendwelche Rentendinge streiten.
Mara holt mich zu Hause ab und sieht wie immer sehr geschäftsmäßig aus. Schwarzer Anzug, riesige Tasche, in der ein ausgewachsener deutscher Schäferhund Platz hätte, Headset im Ohr und im Gesicht ihren klassischen Blick, der Willensstärke und Durchsetzungskraft implizieren soll. Das weiß ich so genau, weil wir ihn gemeinschaftlich vor dem Badezimmer-Spiegel geübt haben. Dazu perfektes Make-up sowie eine Frisur, der selbst ein mittlerer Hurrikan nichts anhaben könnte. Zügig transportiert sie mich und die Bohne durch die Stadt, wobei sie noch ein paar Telefongespräche führt.
Ich bin entspannt. So sehe ich auch aus. Meine geliebten Schwangerschaftsjeans habe ich mit einem weißen Shirt und einer schwarzen Strickjacke kombiniert. Ich finde mich richtig hübsch in den Klamotten, auch wenn sie so gar nicht businessmäßig sind. Einmal habe ich in den vergangenen Wochen versucht, einen der wenigen Anzüge zur Arbeit zu tragen, der rein größenmäßig und unter Einsatz des ausgeleierten Haargummis im Knopfloch noch vertretbar war. Dazu hatte ich meine Locken zu einer strengen Hochsteckfrisur gebändigt. Das Ergebnis war recht lustig. Erst haben Typhus und Herpes mich nicht erkannt und sind mir sogar laut bellend bis ins Büro gefolgt, dann ist Edgar aufgetaucht und hat mich völlig verstört gefragt, wer ich bin und was ich will. Ich hatte die Lacher in unserer gemeinsamen Mittagspause definitiv auf meiner Seite.
Bei Dr. Ganter besteige ich die Waage und halte dann brav meine Vene zum monatlichen Blutabzapfen hin. Mara folgt mir mit argwöhnischer Miene auf Schritt und Tritt. Sie mag keine Ärzte und scheint einen gewissen Beschützerinstinkt entwickelt zu haben. Schon die Aufforderung »Frau Schmidt, bitte ins Labor!« lässt sie leise grunzen und böse Blicke verteilen.
»Du kannst hier warten«, flüstere ich ihr zu, als ich das Wartezimmer verlassen will, aber sie ist schon
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