Nicht ganz sauber
Sie hatte den Willen, etwas gegen ihre Wut und ihre negativen Gefühle zu tun. Sie war sich dann nicht mehr zu fein dafür, Hilfe in Anspruch zu nehmen. So kann Versöhnung geschehen. Mit sich selbst und mit anderen.
Marie, ich freue mich, dass Du einen Neuanfang wagst – mit aller Ungewissheit, die ich zwischen Deinen Zeilen erahnen kann.
Und wünsche Dir auf diesem Weg ganz viel Glück!
Zwischenspiel – Skurriles aus der Welt von Justyna Polanska
F rüher putzte ich für eine Weile bei einem Fotografen. Zumindest gab er sich selbst diese Berufsbezeichnung. Denn außer einer Fototasche, die im Flur neben seinen Schuhen stand, habe ich nie etwas von seinem Werkzeug gesehen. Außerdem war er immer anwesend, wenn ich zum Putzen kam. Viel Arbeit schien er nicht zu haben. Eines Tages fand folgender Dialog statt. In seiner Wohnung, zwischen ihm und mir. Ich wischte den Boden, als er zu mir sagte:
»Mann, Justyna, findest du nicht, dass du dein Talent vergeudest, wenn du bei fremden Leuten putzt?«
»Das kann man ja ändern. Gib mir einhunderttausend Euro oder kauf mir ein Kosmetikstudio, dann können wir drüber reden.«
»Das zwar nicht, aber ich hätte da eventuell etwas für dich.«
»Was denn?«
»Na ja, ’nen Model-Job.«
»Oh, das ist lieb von dir, du alter Charmeur.«
»Nein, ich meine das ernst.«
»Model?«
»Ja.«
»Aber bin ich dafür nicht ein paar Zentimeter zu klein?«
»Nein, du hast die perfekten Maße.«
»Warte, von welcher Art Model sprichst du denn?«
»Na ja, so ein bisschen freizügiger halt. Wir könnten tolle Bilder machen mit dir.«
»Du meinst, ich soll Nacktfotos von mir machen lassen?«
»Ja, so fast nackt. Du kannst dir ja ’nen schönen weißen Staubwedel vor ein paar Stellen halten …«
»Die Vorstellung von ’nem Putzlappen vor meinem Busen finde ich persönlich nicht so erotisch.«
»Du kannst ja auch was anderes nehmen oder dich einfach ganz natürlich geben.«
»Ganz natürlich heißt bei dir ganz nackt.«
»Ja.«
»Ich würde mich nie ausziehen. Nein.«
»Ach komm, überleg es dir doch wenigstens …«
»Danke für dein Angebot. Aber nein.«
»Na gut, wie du willst. Aber so was auszuschlagen ist nicht gerade schlau … Willst du denn dein Leben lang Putzfrau bleiben?«
»Wenn Nacktmodel die einzige Alternative für mich ist, dann bleibe ich definitiv lieber Putzfrau.«
Was bin ich doch für eine undankbare Person, die ihr eigenes Glück mit Füßen tritt …
***
Eine Kundin fragte mich, als ich zum ersten Mal zu ihr putzen kam:
»Justyna, wollen Sie sich erst einmal umziehen?«
»Nein, kein Problem, ich ziehe nur meine Hausschuhe an.«
»Sind Jeans und Top nicht zu eng? Stört Sie das nicht bei der Arbeit?«
»Nein, lieb, dass Sie sich sorgen, aber mein Outfit schränkt mich nicht ein.«
»Ach so. Aber wollen Sie sich vielleicht erst einmal abschminken?«
»Wieso sollte ich mich abschminken?«
»Na ja, sonst verläuft ja alles, wenn Sie schwitzen und so. Ich gehe ja auch immer ohne Make-up ins Fitnessstudio.«
»Also, solange ich nicht bei strömendem Regen in Ihrem Garten Bäume fällen oder einen Kuhstall ausmisten muss, bleibe ich mal geschminkt.«
»Na ja, Sie wissen bestimmt, was Sie tun.«
Soll ich putzen oder zwölf Runden gegen den Schwergewichtsweltmeister boxen?
***
»Justyna, ich muss jetzt los. Könnten Sie nachher meine Mutter in die Wohnung lassen? Sie möchte nur etwas für mich abgeben.«
»Ja klar, kein Problem. Ich putze noch bis zwölf Uhr, dann bin ich fertig.«
»Super, sie kommt spätestens um elf Uhr. Sie weiß, dass meine Aufwartefrau da ist.«
»Entschuldigung, wer ist da?«
»Na, Sie.«
»Und wie heißt das? Aufwasfüreinefrau?«
»Ja, kennen Sie diesen Ausdruck nicht? Aufwartefrau, Zugehfrau, Raumpflegerin. Alles das Gleiche.«
»Aha.«
Aufwartefrau? Sollte ich dann das Fräulein Mutter mit einem schwarzen Rock, einer weißen Schürze und einem gestärkten Häublein auf dem Kopf begrüßen? Ich muss dann wohl noch einmal kurz den Hofknicks üben …
***
»Na ja, Justyna, ich hätte schon gerne, dass Sie bei uns putzen. Aber mehr als einmal im Monat kann ich mir nicht leisten.«
»Das ginge für mich in Ordnung. Dann könnte ich an jedem ersten Samstag bei Ihnen putzen.«
»Ja, das ließe sich einrichten. Gut,
Weitere Kostenlose Bücher