Nicht ganz schlechte Menschen
zueinander passe.
Marguerite entgegnete, daß sie eine Frau sei, das stehe so in ihrem Ausweis.
Wenn er ein Mann sei, passe man geschlechtlich zueinander, aller
Wahrscheinlichkeit nach.
Am
22. März 1939 wurde das seit 1923 Litauen zugeschlagene Memelland mit dem
Deutschen Reich wiedervereinigt. Ohne daß ein Schuß gefallen wäre.
Die
Bevölkerung der nun wieder nördlichsten Stadt Preußens empfing den Führer mit
Beifallsstürmen.
Karl war nahe daran, Ja und Amen zu sagen. Und schreckte
im letzten Moment vor einer endgültigen Vereinbarung zurück. Er liebte
Marguerite nicht, wie er Marie und Mila geliebt hatte, das war ihm bewußt, doch
vielleicht wurde Liebe als Beweggrund für eine Ehe überbewertet. Daß Marguerite
umgekehrt ihn liebte, daß sie überhaupt zu einem großen Gefühl fähig war, blieb
wenig mehr als eine vage Hoffnung. Romantische Rhetorik suchte man bei ihr
vergebens, wenngleich sie gern und gut küßte. Karl war hin- und hergerissen,
und ebensooft, wie er aus spontaner Geilheit beschloß, Marguerite einen Antrag
zu machen, bewahrte ihn seine Lebenserfahrung davor, einen irreversiblen Fehler
zu begehen. Auch trugen die Nachrichten aus Spanien ihren Teil dazu bei, daß
Karl sich nicht gehen lassen konnte. Sie waren ausnahmslos deprimierend.
Die
Nationalisten eroberten Katalonien während der ersten zwei Monate des Jahres
1939. Am 26. Januar fiel Barcelona ohne Gegenwehr. Weite Teile der Bevölkerung
bejubelten den Einzug von Francos Soldaten. Den Republikanern blieben noch ein
paar Großstädte, darunter Madrid und Valencia, aber die kampflose Übergabe
Barcelonas wirkte verheerend auf die Moral der Verteidiger. Am 10. Februar wurde
der letzte Widerstand in Katalonien gebrochen. Am 27. Februar erkannten die
Regierungen von Großbritannien und Frankreich das Franco-Regime offiziell an.
Am 28. März fiel Madrid, am folgenden Tag gab Valencia ebenfalls auf, das fast
zwei Jahre dem Beschuß der Nationalisten widerstanden hatte. Als die letzten
republikanischen Kräfte kapituliert hatten, verkündete Franco am 1. April den
Sieg.
Nur Marguerite blieb eisern standhaft, sogar, als Karl mit
Tränen in den Augen darum bat, seinen Kopf in ihren Schoß wühlen zu dürfen, er
wolle von dieser Welt nichts mehr sehen und hören. Die Beziehung, sofern man
von einer solchen sprechen konnte, endete recht überraschend damit, daß
Marguerite sich zurückzog und auf Nachfrage zur Auskunft gab, Karl habe es
entscheidend an Entscheidungsfreude gemangelt. Womit sie den Tatbestand der
Beleidigung ersten Grades erfüllt sah. Den Krieg in Spanien erkannte sie als
mildernden Umstand nicht an. Zwei Monate später verlobte sie sich mit einem von
Karls Kommilitonen.
Karl erzählte Pierre davon und beide schimpften mit Verve
über die Frauen als solche. Den Vorschlag, gemeinsam ein Bordell zu besuchen,
lehnte Pierre dennoch ab.
Ich würde, sagte er, nie im Leben mit einer Nutte verkehren.
Wenn du wüßtest …
Wenn ich was wüßte?
Ach, nichts. Karl schoß das Blut siedendheiß in den Kopf. Welches
Teufelchen hatte sich diesmal auf seine lose Zunge gesetzt? Doch er redete sich
gerade noch einmal und recht geschickt heraus.
Ich meinte, wenn du wüßtest, daß die Nutte gesund ist oder gar
Jungfrau, würdest du sicher eine Ausnahme machen.
Nein. Auch dann nicht.
Also ging Karl allein ins Bordell, wofür er allen Mut
zusammenkratzte – und kam schwer erleichtert wieder heraus, so gut hatte es ihm
dort gefallen. Die Tatsache, daß man dort Wünsche äußern konnte jeder Art,
deren Erfüllung, etwas Verhandlungsgeschick vorausgesetzt, nicht mal
übertrieben teuer war, begeisterte ihn, und er fragte sich verblüfft, wieso er
nicht viel früher von solchen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hatte.
Das Verhältnis von Pierre und Max wurde immer weniger herzlich. Pierre dachte nicht ernsthaft
daran, es mit einem sexuellen Konkurrenten zu tun zu haben, doch schien
offensichtlich, daß Karl die Wahrheit angedeutet hatte. Max und Ellie
pflegten eine Verbindung der besonderen Art. Dagegen war nichts zu sagen,
geschweige denn zu machen, man heiratete die Mischpoke einer Frau nun einmal
mit. Aber Pierre war doch recht ungehalten darüber, daß Ellie in Max immer
einen Nothalt besaß, und ihre Probleme zuallererst mit ihm besprach. Woraufhin
sie stets das unternahm, wozu ihr der selbsternannte Herr Jung-Romancier riet. Max kümmerte sich fast gar nicht mehr um
das Hotel, strich dennoch schamlos sein monatliches Salär ein.
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