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Nicht ganz schlechte Menschen

Nicht ganz schlechte Menschen

Titel: Nicht ganz schlechte Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Krausser
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Verwundeten. Entscheidend für den Ausgang war wohl auch, daß
die Guardia Civil, eine paramilitärische Polizeitruppe mit ausgezeichneten
Schützen, sich nach langem Zögern auf die Seite der Republik schlug. Einige
Pfaffen, das wird dir gefallen, sind exekutiert worden, weil sie von ihren
Kirchtürmen die Menschenmenge beschossen haben (sollen). Bis auf die
Kathedrale, ein wundervolles Bauwerk, wurden alle Kirchen in Brand gesteckt und
nur ihre verkohlten Mauern sind geblieben, ein gespenstischer Anblick. Die
Kämpfe müssen sehr einseitig verlaufen sein. Keine Macht kann es mit dem Willen
einer zu allem entschlossenen Arbeiterschaft aufnehmen. Am Schluß war nur noch
die nahegelegene Atarazanas-Kaserne in faschistischer Hand, die heldenhaft und
mit außerordentlicher Kühnheit gestürmt wurde. In den Straßen stehen noch die
Barrikaden, tote Pferde liegen herum, aber niemand hat das kurze Chaos
ungebührlich ausgenutzt und kein einziges Geschäft wurde geplündert. Der
verräterische General Goded wurde gezwungen, im Rundfunk seine Niederlage
einzugestehen. Jetzt haben die Läden schon alle wieder geöffnet und die
Aufräumarbeiten gehen schnell voran. Die Menschen sind ausnehmend freundlich.
    Ich bin Sportler der Olimpiada Popular . Das zu äußern, öffnet Türen und
Herzen. Du wirst lachen und es für eine Phantasie halten, aber drei ziemlich
gutaussehende Frauen schoben ihre Hemden hoch, offerierten mir ihre Brüste, als
sei es das Normalste der Welt. Es handelte sich allerdings, die Pointe sei dir
gegönnt, um Huren, die vom Ende der Prostitution wohl etwas raunen gehört
hatten, dennoch gewohnten Handlungsmustern folgten, unschlüssig, ob man sich
der neuen Doktrin sogleich und buchstabengetreu unterwerfen muss.
    Hier gibt es fortan nur noch freie Menschen, keine Hierarchien.
Man duzt sich untereinander. Alle Berufe, sofern sie der Gemeinschaft dienen,
gelten als gleichermaßen wertvoll. Niemand, kein Dienstleister, kein Barbier
oder Schuhputzjunge, nicht einmal ein Hotelpförtner, der davon zu leben gewohnt
war, nimmt noch ein Trinkgeld an, und schon der Versuch, eines zu geben,
beleidigt mitunter den Stolz des freien Volksgenossen. Die Prostituierten sind
die einzigen, die mit der entstandenen Situation nicht so ganz klarkommen. Man
hat ihnen mitgeteilt, daß sie endlich befreit sind vom Joch patriarchalischer
Versklavung. Und ihnen Arbeitsplätze in den Fabriken angeboten. Einige sollen
das Angebot akzeptiert haben. Wie die anderen sich künftig ihr Brot verdienen,
überläßt man ganz ihrer freien Entscheidung bzw. ihrem Talent zur
Improvisation. So kam ich zu einem billigen Zimmer, und Ines, eine stämmige,
breitschultrige Hure, zum Titel einer Zimmerwirtin. Ich tue ihr einen Gefallen,
betont sie. Na bitte sehr. Ich sehe bis hier, wie du zwinkerst. Nein, sie ist
nicht mein Typ, falls du das wissen willst. Aber witzig ist es schon, daß wir
nun beide mit Damen aus dem ältesten Gewerbe zusammenleben. Auf Zuhälter und
Drogenhändler wird Jagd gemacht. Mein Quartier liegt in einer schmutzigen
Gegend unweit vom Hafen, im zweiten Stock eines schmalen Mietshauses, von
dessen Türen und Fensterläden aller Lack abgeblättert ist, und die Latrine –
ich schweige. Innen aber ist die Wohnung sauber. Eng, doch gemütlich.
    Barcelona ist eine wunderschöne Stadt, von verspielter
Architektur, und nicht so schlimm heiß, wie ich befürchtet hatte. Die
politische Lage ist sehr unübersichtlich, ich will da gar nicht ins Detail
gehen, dazu fehlt mir die Tinte. Ich habe selber vieles noch nicht verstanden.
Es gibt wohl mehrere Sorten von Polizei und jede Menge Volksmilizeinheiten, die
sich spontan formieren und wieder auseinanderfallen, betrieblich organisiert.
Inwieweit man dem loyal gebliebenen Teil des regulären Militärs vertrauen kann?
    Vordergründig haben die Anarchisten das Sagen, aber sicher
nicht lange. Sie sitzen jetzt mit der Regierung an einem Tisch, wollen aber
nicht mitregieren, lehnen jede Regierungsform ab und beschwören ein Chaos
herauf. Sie reden sich auf die hervorragende Disziplin hinaus, die während der
Niederschlagung der Revolte geherrscht hat, und glauben, daß diese anhalten,
daß der freie Mensch ganz von selbst eine höhere Moral entwickeln wird. Man
wird sehen. Das Problem der den Anarchisten verhaßten Hierarchien betrifft
natürlich unmittelbar die Miliz. Ohne eingehaltene Befehlskette kann nunmal
keine Armee funktionieren, welchem Ideal sie auch immer verpflichtet ist.
Deswegen wird

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