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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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er nicht erwartet hatte.
    »Ich kann verstehen, dass unser Haus Ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht.« Er strich sich mit beiden Händen über den Bauch. Sein Blick glitt für zwei, drei Sekunden über die Regale. Es lag derselbe Ausdruck darin, den meine Mutter aufsetzte, wenn sie in den Spiegel blickte, eine Art Besitzerstolz. »Trotzdem interessiert es mich ungemein, wie Sie von dieser Adresse erfahren haben?«
    Meine Reaktion kam automatisch, Starren, Schlucken, weiter Starren. Gar nicht so schwierig, wenn man zu nichts anderem in der Lage war. Er konnte in einer solchen Situation nicht wirklich davon ausgehen, dass er eine Antwort erhalten würde.
    Etwas knurrte neben mir – der andere, dem mein Schweigen nicht gefiel.
    Er verschränkte die Hände hinter seinem Körper. »Nun, Schweigen ist manchmal durchaus angebracht, aber nicht immer eine Lösung«, sagte er. Ein Schatten zerteilte die Luft hinter ihm. »Und Sie sollten eine gute Erklärung dafür haben, warum Sie das Grundstück eines Konvents betreten, ohne zuvor eingeladen worden zu sein. Die öffentlichen Wanderwege sind weit von hier entfernt. Also, wer hat Sie geschickt?« Er betonte jede Silbe.
    Jetzt bemerkte ich meinen Fehler, ich durfte nicht so schockiert wirken, wie ich es wirklich war. Die Bevölkerung war vertraut mit Unterteufeln, und daher auch mit einem Konvent und womöglich auch diesen Methoden. Oder war das die Lösung? Wenn ich mich quasi als illegale Einwanderin outete, würden sie dann die Behörde informieren? Das würde bedeuten, dass ich für immer in LaBrock bleiben musste. Solange ich nicht wusste, was die Alternative war, tappte ich bei meiner Entscheidung im Dunkeln. Was tun? Klare Gedanken, das wäre ein guter Anfang. Ich musste einfach glauben, dass mir hier nichts Schlimmeres wiederfahren würde als eine lebenslange Gefangenschaft. Man würde mir doch nicht ernsthaft etwas antun?
    Ich musste an meine Familie denken und an Kim. Dann an Desmond. Hätte ich doch nur auf ihn gehört!
    »Also?«, donnerte der Unfreundliche.
    Ich zuckte zusammen. »Ich war schon einmal hier«, sprudelte ich die Wahrheit hervor.
    Die Augenbrauen der beiden zogen sich wie auf ein geheimes Kommando zusammen.
    »Schon einmal hier«, wiederholte Teufel Nummer eins mit Grabesstimme.
    Ich wollte zunächst nicken, erschrak dann aber zutiefst. Das hatte er in den vollkommen falschen Hals bekommen. Am liebsten hätte ich die Hände vor mein Gesicht geschlagen und einfach geheult. Aber erst musste ich für meine Freiheit kämpfen, also riss ich mich zusammen, obwohl mir abgrundtief übel war. »Nein, vorbei. Ich meinte«, stotterte ich, »dass ich hier vorbeigefahren bin. Im Auto. Mit einem Freund.«
    Auf meine Aussage folgte Stille, dann wechselten die beiden einen Blick, den ich nicht deuten konnte. Es gab hinsichtlich der Körpersprache sicher große Unterschiede zwischen Menschen und Unterteufeln. Einem menschlichen Ich-bin-ziemlich-sauer-weil-du-mein-Auto-geschrottet-hast kam hier sicher einem Ich-bin-über-einen-Ziegelstein-gestolpert-wie-ärgerlich-ich-gehe-jetzt-den-Maurer-und-seine-Familie-töten gleich.
    »Mit einem Freund«, wiederholte der dickbauchige Geselle. Es klang locker, aber auch so, als würde er die Wahrheit in meiner Aussage anzweifeln. »Und hat dieser Freund auch einen Namen?«
    »Gor … don?«, versuchte ich es.
    Der Blick, den sie wechselten, ließ mich noch mehr verkrampfen, als ich es ohnehin schon war. Die Antwort hatte ihnen nicht gefallen oder sie glaubten mir nicht, aber nun konnte ich sie nicht mehr zurücknehmen. Eine zweite Chance war keine Option bei den Unterteufeln.
    Mit gekräuselten Lippen nickte der Dicke seinem Kollegen zu. »Du siehst draußen nach, ob alles ruhig ist. Ich kümmere mich hier um alles Weitere.«
    Alles Weitere? Mit einem Gewicht, das es vorher nicht besessen hatte, ließ sich mein Herz direkt in meiner Magengrube nieder, während mein Gefängniswärter verschwand. Paralysiert starrte ich den Dicken an, dann auf meine Füße. Lodernde Hitze schoss mir in den Kopf und versengte meine Schläfen. Ich konnte nicht sagen, was schlimmer war, das Verhör zuvor oder die nun an mir nagende Stille. Das war also psychologische Kriegsführung: Die Gefangene so lange mit drohenden Fantasien allein lassen, bis sie sich selbst zermürbte und der Kidnapper nur noch die Früchte ihres zerstörten Wesens pflücken musste.
    Stoff raschelte, als der Teufel sich bewegte. Ich zwang mich, den Kopf zu heben, um ihn nicht

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