Nicht menschlich Inc.
meinem Knie.
Nun stand er so nah bei mir, dass ich vorsichtig schnupperte. Falls er Aftershave benutzte, dann so dezent, dass ich es nicht wahrnahm. Er roch nicht nach Chemie oder Einkaufszentrum, sondern nach Wind und klarer Sommerluft. Er trug eine verwaschene Jeans in einem Tarnfarbenton, den ich nicht genauer definieren konnte. Das graue Shirt darüber ragte nur knapp über den Hosenbund. Ich betete darum, dass mein Retter in den nächsten Sekunden beginnen würde, Dinge aus den Regalen zu holen und sich dabei zu strecken.
Er riss seinen Blick von meinen Augen los. »Und, wie war das erste Gespräch mit unserem Vorarbeiter?«
Es klang amüsiert, nicht sehr respektvoll. Er schien nicht allzu viel vom Prokuristen zu halten – oder von dem Schauspieler in der grünen Maske.
Himmel, es war anstrengend, dauernd beide Möglichkeiten durchspielen zu müssen.
»Gute Frage«, antwortete ich, wobei meine Stimme nur ein wenig dünner klang als sonst. »Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was hier von mir verlangt wird.«
Mir war bewusst, dass man gutes Aussehen nicht mit Vertrauenswürdigkeit gleichsetzen sollte, aber nach allem, was passiert war, konnte ich nicht anders. Ich brauchte eine Vertrauensperson und ja, ich ließ mich bei meiner Wahl von meinen tanzenden Hormonen leiten. Also entschied ich, meine Filmtheorie für eine Weile zu vergessen.
Er lachte leise. Ein Grübchen bildete sich auf seiner linken Wange. »Keine Panik. Solange du dein Hirn ausschaltest und tust, was sie sagen, bist du auf der sicheren Seite.« Er streckte mir eine Hand entgegen. »Ich bin übrigens Desmond.«
Ich hielt mich mit einer Hand an der Tischkante fest. Ich hätte es auch wieder mit dem Knie versuchen können, hatte aber noch zu wenig Übung darin. Vielleicht änderte sich das, wenn er näher kam .
Ich griff zu und schüttelte sie, wenn auch vielleicht etwas lang. »Nala.«
Seine Haut war warm und der Griff fest. Leider ließ er viel zu schnell los.
»Kaum zu glauben, dass du nicht von hier stammst.« Er blickte mir so intensiv in die Augen, dass ich diesen Moment am liebsten für immer festgehalten hätte. Dann zwinkerte er, und der Bann brach. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie jemanden von außerhalb für den Job einstellen.« Desmond lehnte sich an die Tischkante.
Das hörte ich nicht zum ersten Mal. »Warum nicht?«
Gut, ich stammte aus Westburg, aber das lag ja nicht am Ende der Welt.
Er grinste. Ein feines Netz aus Lachfältchen umkränzte seine Augen. »Es kommen nur wenige hierher. Und von denen hat sich noch nie jemand bei ABM beworben.« Er musterte mich aufmerksam. »Wie bist du auf uns gekommen?«
Seine Worte verwirrten mich. Sie ergaben wenig Sinn. Wollte er mir damit sagen, dass ABM sich so weit in der Pampa befand, dass die Laufkundschaft sehr rar gesät war? Dass die grüne Hautfarbe und die Stimme des Prokuristen bisher noch jeden abgeschreckt hatten? Vielleicht gehörten diese Worte aber auch zu seinem Part im Drehbuch – oder er wollte mich warnen und mir einen dezenten Hinweis darauf geben, dass nichts hier das war, für das ich es hielt.
Ich entschied, dass es Zeit für einen kleinen Vorstoß war. »Eigentlich war nicht ich es, die darauf gekommen ist. ABM hat mir eine Mail geschickt«, sagte ich.
Na, wie interaktiv war seine Rolle in der gesamten Geschichte?
Er wirkte verblüfft. Seine sonst so geraden Augenbrauen bildeten kleine Keile. »Aber du hast dich hier beworben.«
»Nein. Das habe ich nicht.«
Nun sah er noch erstaunter aus, aber auch ein wenig erschrocken. Er blickte über meine Schulter und trat näher an mich heran.
In Sekundenschnelle überschlug ich die Situation in meinem Kopf. Wenn ich einen Mann so attraktiv fand wie ihn, konnte man dann von Nötigung reden, wenn er mich auf den Tisch warf? Und würde ich eine gute Figur machen, wenn er das tat? Hochsprung hatte in der Schule nie zu meinen Favoriten gezählt. Ich hatte es nie geschafft, meinen Rücken halbwegs elegant über die Stange zu wölben. Meist war ich wie ein Pfannkuchen auf dem Bauch über das Ding gesegelt, die Beine angewinkelt, so als würde ich auf meinem Bett ein Buch lesen.
Desmond dachte nicht daran, mir eine sportliche Nachhilfestunde zu verpassen. Stattdessen ging er an mir vorbei und schloss die Tür, nachdem er einen sichernden Blick auf den Gang geworfen hatte. Als er sich wieder zu mir umdrehte, sah er vorsichtig aus und ein wenig bestürzt. Hieß das nun, er fand mich nicht anziehend genug?
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