Nicht menschlich Inc.
das in einen Fluss gefallen war. »Die Personalakten hast du ja bereits. Dann viel Erfolg.« Sie deutete auf eine Tür, ihre Bewegungen leicht wie die einer Tänzerin.
Ich dagegen stolperte beinahe auf dem Weg nach draußen und umkrallte Autoatlas und Schlüssel. Ich war sicher, dass man mich hinter herabgelassenen Bürojalousien beobachtete, aber das war mir in diesem Moment egal. Na ja, nicht ganz, denn ich bemühte mich, meine Fassungslosigkeit mit amüsiertem Desinteresse zu überspielen. Meine Hand lag bereits auf dem Türgriff, als mir eine Idee kam. Ich nahm all meinen Mut zusammen und drehte mich um.
»Ach Stacey?« Es klang herrlich beiläufig. Ich war stolz auf mich.
»Ja?«
»Schon mal was von Westburg gehört?«
Die Art, wie sie ihren Kopf hob, erinnerte mich an einen Schwan.
»Nein, noch nie. Was soll das sein?«
So sehr ich auch in ihrem Gesicht forschte, sie wirkte arglos. Ich winkte ab. »Schon gut.«
Dann sah ich zu, dass ich mich so schnell wie möglich aus dem Staub machte.
Es gab einen Fahrstuhl, aber ich wählte die Treppen daneben. Ich war so durcheinander, dass derzeit sogar mein Vertrauen in die Technik erschüttert war. Im Treppenhaus roch es nach Zitrone, und bald erreichte ich die Eingangshalle, an deren Ende mir eine Glastür entgegenlachte. Dahinter erkannte ich grauen Beton und parkende Autos. Ich hastete auf den Ausgang zu, riss die Tür auf und trat hinaus. Falls meine Filmtheorie stimmte, konnte das Set ja nicht unendlich groß sein. Nachdenklich strich ich über die Rillen des Autoschlüssels.
Am Parkplatz schlängelte sich eine Straße vorbei und auf der gegenüberliegenden Seite standen Häuser, die von krüppeligen Bäumen flankiert wurden. Der Reinlichkeitsgeruch wurde abgelöst von Abgasen und, schwächer, dem Duft von Gebratenem. Normalität. So schön.
Verzückt tastete ich mich zurück in die bekannte Welt und wurde mit einem kurzzeitigen Überschäumen der Gefühle belohnt. Ich musste über das ganze Gesicht strahlen, als ich einen kleinen, graubraunen Vogel beobachtete, der in einer Hecke hüpfte und zwitscherte.
»Nala?«
Es klang verwundert.
Ich wandte mich um und sah Desmond an der Hauswand lehnen. Offenbar hatte er gewartet. Etwa auf mich?
Er stieß sich von der Mauer ab und kam auf mich zu. »Alles in Ordnung?«
Wie ein Kartenhaus fiel die Fassade aus Sonne, Vogelgezwitscher und der Leichtigkeit des Alltags in sich zusammen. Zurück blieb eine verdrehte Wirklichkeit, die vielleicht gar keine war. Ich hielt Desmond als Antwort das Straßenverzeichnis entgegen und suchte nach Worten, aber ich fand keine. Oder besser gesagt, ich fand zu viele, sie drängten sich aneinander und hinderten sich gegenseitig daran, von meinen Lippen zu fließen. Vielleicht war das die Ursache dafür, dass mir Tränen in die Augen traten.
Desmond blickte zwischen meinen Händen und meinem Gesicht hin und her und nahm mir vorsichtig die Autoschlüssel ab.
» Los, fahren wir erst mal vom Gelände runter. Du kannst dir nämlich sicher sein, dass der Prokurist oben am Fenster steht und dich beobachtet.«
»Er kann ja jemanden einstellen, der kontrolliert, ob ich meine Arbeit erledige«, presste ich hervor und fühlte mich schon ein wenig besser.
»Das würde er nie tun. Damit würde er sich selbst seinen liebsten Zeitvertreib nehmen.«
Ich suchte nach einem Hauch Ironie in seinen Worten, doch vergeblich. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu dem Lieferwagen zu folgen, auf dessen Rückfenster der Schriftzug ABM in Mitternachtsblau prangte. Ich warf einen Blick auf das Nummernschild, die Buchstabenkombination hatte ich noch nie zuvor gesehen.
Da Desmond wie selbstverständlich zur Fahrerseite ging, öffnete ich die Beifahrertür, ließ mich in den Sitz fallen und atmete auf. Ich stellte mir vor, in einem Vakuum zu schweben. In meinem Wunschraum gab es keine langschwänzigen Sekretärinnen, kleinwüchsige grüne Prokuristen mit Haut in Algenfarben oder Käfer.
Ich schielte zu Desmond und überlegte, was ich sagen konnte, als der Motor ansprang und wir losrollten. Mit jeder Sekunde schien ein kleiner Kiesel von meinem Herzen zu plumpsen. Endlich ließen wir ABM hinter uns und fuhren der Sonne entgegen, durch Straßen, die von Bürogebäuden, Geschäften und Parkplätzen flankiert wurden. Es hätte wirklich Camlen sein können.
Wir erreichten ein Industriegebiet, an das sich Häuser mit kleinen Gärten anschlossen. Es gab sogar Gartenzwerge, ich entdeckte einen, der in
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