Nicht menschlich Inc.
pastellfarbenen Blüten ein weiteres gesellte – die Gänsemotive in Kirstens Wohnung.
Jetzt, zurück auf dem Firmengelände, fragte ich mich, warum ich die Verbindung nicht schon nach meinem ersten Besuch gezogen hatte. Wieder und wieder grübelte ich über den Verdacht nach, bohrte ihn aus unterschiedlichen Perspektiven an und überlegte, ob ich mir nur etwas zusammenfantasierte. Doch er kam mir nicht wie Zufall vor. Selbst wenn, so war es meine Pflicht als Ermittelnde, ihm nachzugehen, obwohl ich ihn am liebsten verdrängt hätte.
Meine Gedanken flimmerten herum wie das Fernsehbild bei einer Sendestörung. Musik zog mir durch den Kopf, die in Filmen genutzt wurde, wenn die Heldin um ihren toten Liebhaber trauerte. Wind, der über vereinsamte Moore strich oder …
Gemecker.
Erstaunt blickte ich aus dem Fenster und sah zwei Frauen aus der Telefonistenriege den Hof überqueren. Wortfetzen wehten zu mir herüber, Unmutsäußerungen über die Umstände und die zu starren Reglementierungen bei ABM.
So zur unfreiwilligen Zuhörerin deklariert, fühlte ich mich nicht nur unwohl, sondern konnte auch nicht mehr in Ruhe nachdenken. Ich stieg aus und huschte ins Gebäude.
Der Eingangsbereich war verwaist, stattdessen stand auf einem Schild »Unser Empfang ist in Kürze wieder besetzt. Bitte haben Sie ein wenig Geduld«. Ich frohlockte innerlich. Das Schicksal mochte vielleicht ein grimmiges Mütterchen sein, aber aus unerfindlichen Gründen schien es mich in diesem Moment lieb zu haben.
Als ich mich weiter den Flur hinab bewegte, hörte ich Staceys Stimme. Die Trainerin einer Gladiatorengruppe wäre vor Neid erblasst und hätte all ihre Ersparnisse ausgegeben, um ebenso zu klingen. Da zeigte sich wohl Staceys nichtmenschliche Hälfte. Ich überlegte, wie die anderen Unterteufel in LaBrock waren. Arbeiteten sie ausnahmslos in Berufen, in denen man energisch brüllen musste? Als Callcentervorsteher, Verkäufer auf dem Markt, Viehtreiber, Sumoringer? Die Bandbreite war groß.
Ich bog nach links ab, ehe ich in Staceys Rufreichweite gelangte. Noch immer grübelnd hastete ich den Gang entlang, öffnete die Tür zum Lagerraum und sah hinein.
Kein Desmond. Es fühlte sich seltsam an, ihn heute noch nicht gesehen zu haben, besonders jetzt, da in mir dieser kleine Aufregungssturm tobte. Ich hüpfte auf der Stelle herum und trabte weiter, als Staceys Stimme hinter mir anschwoll. Ich musste mit jemandem reden, doch für die Telefonisten spielte ich in der falschen Mannschaft. Blieben Neil oder Eric . Ich entschied, es zu versuchen, auch wenn ich befürchtete, Zettel mit Nullen und Einsen darauf in die Luft halten zu müssen, um die Aufmerksamkeit meiner Kollegen zu erlangen.
Als ich das Büro betrat, hoben sich die Köpfe gewohnt synchron, doch keiner von beiden riss seine Aufmerksamkeit von seinem Monitor los.
»Miep«, grüßte ich freundlich und erntete eine zerstreute Geste von Eric. Er deutete auf meinen Schreibtisch. Neben der Tastatur klebte ein Post-it. Neugierig griff ich danach.
»Bitte zurückrufen« stand dort. Es folgten ordentlich gemalte Ziffern – eine Telefonnummer. Kein Name und keine weitere Erklärung. Das peitschte meine Aufregung noch mehr an. Vielleicht war dies meine Zukunft bei ABM: mysteriöse Nachrichten, gefährliche Einsätze? In meiner Euphorie gefiel mir die Vorstellung immer besser, vor allem, wenn ich Desmond als dauerhaften Partner gewinnen könnte.
Meine Ermittlungserfolge verliehen mir das Gefühl, stark und mächtig zu sein, also griff ich voller Selbstvertrauen zum Telefon und wählte. Ich lauschte dem Freizeichen, dann knackte es in der Leitung.
»Herms?«
Ich richtete mich kerzengerade auf, weil ich das Gefühl hatte, als bohrte sich eine Nadel in meine Wirbelsäule. Carsten! Meine Fingernägel drückten hart gegen das Plastik des Hörers. Hatte er – und somit die Behörde – etwa Verdacht geschöpft?
»Hallo?«, fragte er noch einmal. Seine Stimme klang ein wenig ungehalten.
Ich wagte nicht, einfach aufzulegen, vor allem da ich nicht wusste, ob meine Rufnummer übertragen wurde und er mich zurückverfolgen konnte. Sollte dies der Fall sein, würde ich mich noch verdächtiger machen, als ich es womöglich bereits war. Also versuchte ich, mich so lautlos wie möglich zu räuspern.
»Hallo, hier spricht Nala di Lorenzo«, brachte ich hervor, während sich ein Geschmack auf meiner Zunge ausbreitete, der an den Morgen nach einer Nacht voller Alkohol erinnerte. »Sie hatten
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