Nicht ohne Beruf (German Edition)
oft ihr Sohn, für Uta war er Onkel Herbert, und seine Frau, Tante Lotte – und lästiger Weise auch ihr Hund Hipsel, ein Foxterrier, der ganz verrückt nach Mutti war und mich ebenso verabscheute wie ich ihn!
Das waren kräftige Esser. Aber Mama machte es Freude, für uns alle zu kochen.
Auch ihr anderer Sohn, Geiger im Operettenorchester , mit Frau Trudi, vergrößerten die Tischrunde manchmal.
Durch Trudis Vermittlung wurde meine
Uta Fotomodell für Kinderpostkarten.
Mit einem Köfferchen voll Kleidungsst ücke brachte ich Ut a zu dem Treff-punkt, von wo sie dann zu den Aufnahmen fuhren.
Großartig für mich war, dass sie in der Adventszeit Freikarten für die Kinder-Theateraufführungen bekam. Aber bereits 1943 fiel die Vorstellung den Bombenangriffen zum Opfer!
Erich kam zum Arbeitsdienst, der Militärausbildung, ursprünglich für ein Jahr. Daraus wurden zwei Jahre.
Im Herbst 1939 ging das nahtlos in den Kriegsdienst über. Seine Einheit der Kraf trad-Fahrer war in Wurzen stationiert.
Von Wurzen nach Leipzig war es ein Ka tzensprung. So kam Erich oft nach Hause .
Das waren noch Zeiten voll fröhlicher g emeinsamer Erlebnisse, wo wir ausgingen und das Tanzbein schwangen, gemeinsam mit einem jungen Ehepaar Heinz und Ruth.
Vom Casino (in der Hainstraße) gingen wir noch zu „Anastasia“, einem Weinlokal neben der Hauptpost am Augustusplatz. Oh, da ging es lustig zu! Wenn das Geld fürs Bier knapp wurde, setzte sich Erich ans Klavier und spielte, bis der Wirt eine Runde für uns vier locker machte.
Oder wir gingen noch alle in die Eisenbahnstraße, wo wir zu viert stundenlang knobelten – unten im verpachteten Lokal. Wer verlor, musste eine Runde Schnäpschen geben. Ruth konnte nichts vertragen und stand schon bald unsicher auf den Beinen. Der Magen tat auch, was er wollte und gab von sich, was er nicht wollte.
Während des Krieges, litt Heinz an einem Zwölffingerdarm-Geschwür. Wegen der langen Krankschreibung kam er auch zur Nachuntersuchung zu uns ins Röntgen. Unser Chef bestätigte den Befund und attestierte weitere Dienstunfähigkeit. Aus Dank brachte Heinz bei der nächsten Untersuchung Grüne Heringe. Er hatte die Zeit gut genutzt und sein Jurastudium beendet.
1938 erfuhr Erich, seine Einheit würde ins Generalgouvernement (Tschechei) verlegt. Er benachrichtigte mich, ich möge noch rasch zu ihm kommen, er habe mit mir einiges zu besprechen. Es war fast ein Te stament. Für Uta sei gesorgt.
Nun, es wurden viele Jahre Militärzeit vom 1. September 1939 an.
Erster Verdacht auf ALS
Die letzten beiden Wochen vorm Weihnachtsfest sind mit Arztbesuchen angefüllt, zu denen ich Mutti fahre.
Nicht selten fragt ein Arzt: „Was machen eigentlich alte Leute, die keine so fürsor gliche Tochter haben?“
D ie Beine lassen in letzter Zeit ganz rapid nach. Über jede Unebenheit stolpert Leni. Wenn sie auch die Füße heben will, so gehorchen die ihr einfach nicht! Nun soll mal ein Neurologe abklären.
Ein für uns beide neues Gerät, ein EMG, Elektro-Myolo-Gramm, soll die Funktionstüchtigkeit der Muskeln aufzuzeichnen.
Lähmungserscheinungen in beiden Fußg elenken wird diagnostiziert. Deshalb kann sie die Füße nicht mehr richtig heben.
Die Nervenleitungen zu den Fußgelenken funktionieren kaum noch. Verdacht auf myatrophische auch amyotrophe Latera lsklerose, ALS, eine fortschreitende Degeneration der motorischen Nerven.
Die Ursache für diese relativ seltene Krankheit sei unbekannt.
In dem Moment ist das für uns nichts weiter als ein neues Fremdwort. Die wahre Bedeutung mit all ihren Ausfällen lernen wir erst nach und nach kennen. Auch, dass es keine Heilungs-Chancen gibt.
Nun bekommt sie zehnmal Krankengymnastik. Hinzu fahre ich sie, den Rollator im Kofferraum. Heimzu tippelt sie gemächlich bis zur nächsten Haltestelle, geht noch in einige Läden, ruht sich dazwischen auf dem Rollator aus, und fährt mit der U-Bahn.
Das braucht sie. Sonst fühlt sie sich von der Gesellschaft ausgeschlossen. Unte rwegs schließt sie mit anderen Rollator-Fahrern Bekanntschaft.
Muttis Hausmeisterin ist mit erst 50 Jahren gestorben. Sie hatte sich immer rührend um Mutti gekümmert, ihr öfters eine warme Mahlzeit raufgebracht, wenn sie für ihre eigene Familie gekocht oder gebacken hatte. Auch für mich war es sehr angenehm: Bekam ich auf
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