Nicht ohne Beruf (German Edition)
benötigten vierzig Minuten für diese Strecke!
In den ersten Tagen gingen unsere Mütter noch mit. Aber versunken in ihre Plaud ereien, waren die ja noch langsamer als wir Kinder.
Der Krieg nahm kein Ende!
Es war der 4. Dezember 1943! Früh gegen vier Uhr. Die Sirenen heulen. Fliegeralarm, wie schon in vielen Nächten. Schon vorm Schlafengehen wurde stets alles für den Luftschutzkeller hergerichtet, so dass me ine Uta nur rasch den Trainingsanzug über ihren Schlafanzug zu ziehen brauchte.
Sie hatte es eilig, in den Keller zu kommen und stand schon startbereit an der Tür, als ich mich noch immer im Bett räkelte. Um diese frühe Morgenstunde war es bisher immer glimpflich abgegangen. Es würde schon nichts passieren, dachte ich.
Doch plötzlich ein ungeheures Krachen. Draußen war es mit einem Schlag taghell. Raus aus dem Bett, Uta ins Treppenhaus geschoben, rein in die Klamotten. Ich bin über die vom Luftdruck herausgeschleuderten Treppenhausfenster gestiegen.
Ringsherum brannte es, auch im Oberg eschoss unseres vierstöckigen Doppelhauses. Wir wohnten im dritten Stock. Direkt über unserer Etage lag ein Blindgänger.
Nachgelesen bei Wikipedia: Fliegeralarm war um 3:39 Uhr gegeben worden, die Entwarnung erfolgte 5:32 Uhr. In der engbebauten Innenstadt entwickelte sich nach dem Angriff ein Feuersturm . Die Leipziger Feuerschutzpolizei hatte in der Nacht vorher die Häl fte ihrer Kräfte nach Berlin entsenden müssen. Die aus dem Umland herbeigerufenen Feuerwehren konnten Brände häufig nicht wirksam bekämpfen, da ihre Schläuche nicht an die speziellen Anschlüsse der Leipziger Hydranten passten, die nur zu etwa 30 % auf genormte Anschlüsse umgestellt worden waren. Die Wasserversorgung brach zudem rasch zusammen.
Im Kellergang saß ich auf meinem Ki nderstühlchen und hatte schreckliche Angst, als es so knallte und Mutti nicht kam und nicht kam. Unterdessen war der elektrische Strom ausgefallen. Jemand hatte einen Kerzenstummel angezündet.
Als Mutti dann endlich nach vielen bangen Augenblicken im Keller aufkreuzte, wü rdigte sie mich, ihr armes Kind, mit keinem Blick.
Oben läge eine Bombe, die wenigen Mä nner, ein Eisenbahner und ein Fabrikarbeiter in kriegswichtiger Produktion, sollten mit ihr doch hinaufgehen.
Von draußen drang Qualm in den Keller. Jemand löste in einer Schüssel essigsaurer Tonerde auf. Darin wurden Tücher getränkt, mit denen Mund und Nase abg edeckt wurden, um die Atemwege zu schützen. An was alles gedacht worden war.
Wir konnten nicht aus dem Haus, da es ringsherum brannte: Vor der Haustür flogen die Funken. Aus dem gegenüberl iegenden Wohnblock schlugen Flammen über die Fahrbahn. Dort war im Hinterhof eine Tankstelle. Das gelagerte Benzin gab den Flammen zusätzlich Nahrung. Noch nach Tagen brannte es. Am übernächsten Haus war ein Kohlenlager, auch das loderte und glühte noch lange.
Hinter unserem Hof stand das Häuschen unserer Hauseigentümerin in Brand. Sie achtete immer giftig darauf, dass wir Kinder nicht auf ihren Privatteil des Grun dstücks traten.
In dieser Nacht war alles anders. Die Männer und tapferen Frauen, Mutti dabei, löschten den Brand dieser ‚Villa‘, um für die Hausbewohner einen Weg in die Freiheit zu bahnen.
Unterdessen war ein Luftschutzwart durch die Wand gekommen: Vom Nachbarg ebäude war die Kellerwand durchgebrochen worden, so dass wir nun einen unterirdischen Gang hatten. Wir bekamen die Anweisung, in die Blaue Schule an der Halleschenstraße zu gehen. Dort sei das für uns zuständige Auffanglager. Dort würden wir was zu essen und zu trinken bekommen.
Was rettet ein braves Schulkind, auch in so einer Situation? Den Schulranzen! Mu tti hatte in einer Hand ein Köfferchen, an der anderen mich.
Es begann zu dämmern an diesem Deze mber-Morgen. Oder war das alles Flammenschein? Das zu entscheiden blieb kein Auge frei, denn überall lagen heruntergerissene Stromkabel und die Hochspannungsleitungen der Straßenbahn, und ringsum Mauerbrocken. Noch immer fielen Bruchstücke von brennenden Häusern herab, so dass man in sicherem Abstand davon gehen musste.
Als wir endlich so weit gekommen waren, dass wir die Blaue Schule sehen konnten, da brannte auch die lichterloh!
In diesem Moment hörte ich auf, ein Kleinkind zu sein!
„D as werde ich mein Lebtag nicht vergessen!“, rief ich in das Grauen. Es blieb in meinem Gedächtnis eingebrannt mit der Flammenglut von Brandbomben.
In der Roten Schule, die in diesen
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