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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Sie wedelte mit dem Schwanz und verzog das Maul so, dass es aussah, als grinste sie.
    »Wo kriegt man bloß einen solchen Hund her?«, fragte er, während er sie am Kinn kraulte. Ich dachte: Ich drehe noch durch, hier quatsche ich mit der Gestapo über Hunde, während Raffi im Schrank versteckt sitzt. Aber ich wusste, was für ein gutes Stichwort mir diese Frage gegeben hatte.
    »Von Herrn Hansen. Ihm gehört Muffis Mutter.«
    Er kauerte immer noch da und spielte mit Muffis Haarzotteln, während sie freudig mit dem Schwanz wedelte. Sie hatte verstanden, was ich ihr gesagt hatte, und lieferte eine grandiose Vorstellung. Aber ich hielt weiterhin die Luft an und glaubte, ich müsste ersticken.
    »Von deinem Onkel, was?«, sagte er plötzlich und stand auf. »Na gut, genug jetzt. Du kannst in deine Wohnung zurückgehen, Mädchen. Heil Hitler!«
    »Heil Hitler«, gab ich zurück – ich musste ja. Während wir die Treppe hinaufstiegen, ließ er mich nicht aus den Augen und pfiff dabei ein Nazilied vor sich hin.
    Ich konnte gar nicht glauben, dass sie wirklich abzogen.
    Sobald ich unsere Tür geschlossen hatte, begann Muffi zu knurren. Sie knurrte und bellte die Tür an, als müsste sie nun all ihre aufgestaute Wut loswerden. Und ich selbst zitterte, mir war übel, fast hätte ich mich übergeben. Ich bückte mich und begann die Sachen aufzuheben, die sie aus dem Kleiderschrank gerissen hatten. Papas Winterstiefel lagen kreuz und quer auf Mamas Alltagsmantel. Ich stellte sie an ihren Platz und hängte Mamas Mantel auf. Sich betätigen zu können, tat gut. Muffi rannte hin und her, warf sich auf den Rücken und rollte, immer noch knurrend, auf dem Boden herum.
    Ich hob gerade Papas guten Mantel auf, den er immer zur Andacht getragen hatte, als Mama aus der Küche kam. Sie hielt den Kessel in der Hand. Er hatte eine Delle.
    Sie sagte: »Ich weiß noch genau, wie uns Edith mit Raffi kurz nach deiner Geburt besucht hat. Er war damals noch ein kleiner Junge mit weißblonden Locken, und er jammerte herum, weil du noch nicht mit ihm spielen konntest. Aber Edith hat dich hochgenommen und an sich gedrückt und geweint, weil sie Ursula verloren hatte, und dann küsste sie dich und sagte, du seist ein Segen. Jenny, wir müssen ihr zuliebe dafür sorgen, dass Raffi nichts geschieht.«

Kapitel Zwölf
    M ama«, sagte ich, »ich liebe ihn.«
    Sie sah mich betrübt an. »Ja, das habe ich gemerkt.«
    »Bist du böse?«, fragte ich.
    Ich dachte, dass es so war, weil sie eine kleine Weile nichts sagte, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ihr beiden wart doch schon immer vernarrt ineinander. Schon als kleine Kinder. Edith und ich haben uns darüber unterhalten. Nur – es macht einfach alles noch komplizierter. Aber wir kriegen das schon hin.«
    »Wahrscheinlich meinst du, ich hätte es dir sagen sollen«, mutmaßte ich.
    »Das wäre vernünftig gewesen«, sagte sie, und plötzlich klang ihre Stimme streng. Doch dann schloss sie mich in die Arme und drückte mich. »Ach Jenny, ich war auch mal jung.«
    Jetzt, da sie Verständnis zeigte, hatte ich das Bedürfnis, ihr alles zu erzählen. Ich sagte: »Als du mich mit den Lebensmitteln hingeschickt hast, wollten wir einfach nur ein bisschen plaudern, und dann …«
    Sie nickte und hielt mich dabei immer noch umarmt. Ich redete weiter – plötzlich musste ich unbedingt alles loswerden. Sogar vom Kranzler erzählte ich ihr und von der Begegnung mit Onkel Hartmut und Tante Grete. Ich spürte ihre Anspannung, als sie davon erfuhr.
    »Was für ein Pech«, sagte sie. »Immerhin hat er dich nicht verraten. Ich weiß auch nicht, was in seinem Kopf vorgeht.«
    »Raffi meint, auf diese Weise sichert er sich ab, für den Fall, dass wir den Krieg verlieren.«
    Sie pflichtete mir nickend bei. »Du bist bestimmt müde, aber ich kann nicht schlafen in dem Saustall, den diese …«, sie bebte jetzt vor Wut und Schmerz, »… diese Drecksgestapo angerichtet hat.«
    Ich blickte um mich und stellte mir vor, am nächsten Morgen in diesem Chaos aufzuwachen.
    »Ich helfe dir aufräumen, Mama«, bot ich an.
    Sie hatten die Schafhirtin aus Dresdener Porzellan kaputt gemacht, die Mama zur Hochzeit bekommen hatte. Mama schrie auf, als sie das sah, sagte dann aber stirnrunzelnd: »Bei den Jakobis damals ist viel mehr Porzellan zu Bruch gegangen.«
    »Stimmt«, bestätigte ich und erklärte dann: »Das hier war Absicht, sie wollten uns damit treffen.«
    Mama straffte die Schultern. »Wir lassen uns aber nicht

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