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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Luftangriff zu verderben plante.
    Paula und ihre Mutter würden bei ihrer Tante in dem Schloss in Bayern wohnen – der Onkel war im Krieg. »Komm mich doch in den Sommerferien besuchen«, sagte sie, als sie bei mir auf dem Bett saß. »Das Schloss hat einen wunderbaren Park, und es gibt Haflingerpferde – du weißt schon, die mit den weißen Mähnen und Schwänzen und dem goldenem Fell. Du könntest reiten lernen. Und wir könnten im See schwimmen, und du könntest Muffi mitbringen, Tante Gertrud liebt Hunde, und wir könnten mit der Bahn in die Berge fahren …« Als sie meine Miene sah, verstummte sie.
    »Ach«, meinte sie, »ihr habt eure jüdischen Freunde hier. Dachte ich mir fast. Schau mich nicht so an, Jenny, es ist gut, dass du vorsichtig bist, aber bei mir brauchst du keine Angst zu haben, das weißt du doch. Mama hat Beziehungen, uns holen sie nicht zum Verhör.«
    Da schüttete ich ihr mein Herz aus. Vielleicht hätte ich es nicht tun sollen, aber ich erzählte ihr alles. Ihr konnte ich voll und ganz vertrauen, das wusste ich. Ich erzählte, wie ich mich in Raffi verliebt – und sie angelogen – hatte, wie er zu uns gekommen war und wie ich Tante Edith holen wollte, die SS mir jedoch zuvorgekommen war. Und wie er aufgehört hatte, mich zu lieben.
    Sie nahm mich in den Arm. »Ach Jenny«, sagte sie. »Das ist so schwer, aber glaub mir, ich wette, er liebt dich immer noch, bestimmt. Eines Tages wird er sich dessen bewusst werden und alles wird gut. Und die Nazis werden den Krieg verlieren, es ist nur eine Frage der Zeit, und dann werdet ihr beide euren Sieg feiern.«
    Sie schnitt eine Grimasse. Irgendetwas in ihrer Art munterte mich immer auf.
    »Schau mal, was ich für dich in der Tasche habe«, sagte sie dann. »Eines Tages wirst du es für Raffi auflegen, vertrau Tante Paula.« Es war ein Parfümfläschchen aus böhmischem Glas. Sie drückte lächelnd den Ballon zusammen, und eine Wolke rosenduftender Tröpfchen landete auf meiner Haut. »Mamas Parfüm. Fantasia de Fleurs . Zum Andenken an all die Male, an denen wir uns an ihrer Frisierkommode davon bedient haben. Aber diesmal hat alles seine Ordnung, Mama hat es mir für dich gegeben. Das Fläschchen habe aber ich gekauft.«
    Ich schenkte ihr meine Spieldose. Den Deckel zierte eine Reproduktion einer Ballettszene von Degas. Wenn man den Deckel hob, erklang der Blumenwalzer . Bevor sie ging, drohte sie mir mit dem Finger und sagte: »Und pass auf mit dem Jungen aus dem Laden unten. Er hat mir heute hinterhergeschielt. Halt immer zwei Meter Abstand zu ihm, hörst du?«
    Anschließend waren wir nur noch neun Mädchen in der Klasse. Ich kam mit ihnen aus, aber Freundinnen waren wir nicht. Das war mir ganz recht, weil jeder Besuch in unserer Wohnung eine Nervenprobe war, aber Paula vermisste ich schmerzlich.
    Auch Katrin reiste vor Hitlers Geburtstag ab. Ihre Verwandten in Mecklenburg hatten sie und ihre Mutter eingeladen, bis Kriegsende bei ihnen zu wohnen. Der älteste Sohn war in den Krieg gezogen, darum konnten sie eine gute Arbeitskraft wie Katrin als Hilfe gebrauchen.
    »Und wissen Sie«, sagte sie zu Mama, »jetzt werden auch Frauen zur Kriegsarbeit herangezogen. Wenn ich hierbleiben würde, müsste ich ohnehin in die Fabrik gehen und wäre während der langen Arbeitszeit getrennt von Mama. Auf dem Bauernhof dagegen ist die ganze Familie da und kann ein Auge auf sie haben. Das ist ja alles schön und recht, bloß – hier ist einfach immer noch mein Zuhause, Frau Friedemann, und hier fühle ich mich immer noch dem Rest der Familie nahe, Herrn Friedemann und meinem Liebling Karl – würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich ein paar Minuten in sein Zimmer gehe? Früher habe ich mich immer über die Unordnung dort beschwert, aber jetzt …«
    »Nein!«, sagte Mama, doch dann legte sie die Hand vor den Mund.
    Katrin begriff. Ein breites Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.
    Dann sagte sie: »Versuchen Sie gar nicht erst, mit den Lebensmittelrationen auszukommen, das schaffen Sie nie. Ich nehme Sie demnächst mit und stelle Sie meinen Händlern vor.«
    Am Ende schickten die Engländer zu Hitlers Geburtstag doch nur ein paar wenige Bomber nach Berlin. Tags darauf kam ich von der Schule nach Hause, als Willi Mingers gerade von außen die Schaufenster putzte.
    »Heil Hitler, Jenny«, sagte er und tauchte seinen Lappen in den Eimer mit dunkelgrauer Brühe.
    »Hallo, Willi«, antwortete ich so knapp es ging.
    »Schön, dich zu sehen«, sagte er und

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