Nicht ohne dich
auch«, entgegnete Raffi. Der Mann blieb stocksteif stehen, sein Mund stand offen. Er wollte ebenso wenig wie ich glauben, dass wir in der Falle saßen.
Muffi drückte sich an mich und begann wieder zu winseln. Eine Frau fing an zu kreischen, dann hörte ich ein scharfes Klatschen, und sie war still. Es wurde immer heißer, aber die Kellertür hielt den schlimmsten Rauch ab.
»Wir können jetzt alle etwas zu trinken vertragen, finde ich«, meinte die Hotelchefin. Ihre Stimme klang immer noch sehr ruhig. Sie trat vor ein Metallgitter in einer Mauernische, sperrte das Schloss auf und öffnete die Tür. Ich dachte: Wir werden bestimmt nicht sterben, sie ist ja ganz unbesorgt.
Die Frau, die die Kerzen verteilt hatte, war mit dem Vorhaben der Hotelchefin nicht einverstanden. »Frau Kaiser«, meinte sie vorwurfsvoll, »das ist unser bester Champagner …«
»Frau Löffler«, entgegnete Frau Kaiser. »Der Champagner geht sowieso in Flammen auf. Mein Mund ist ganz ausgetrocknet von dieser Hitze, und ich bin sicher, auch meine Gäste haben Durst.«
»Scheiß auf den Schampus«, tönte eine raue Stimme aus der anderen Ecke des Raums, »sorgen Sie lieber dafür, dass wir hier rauskommen!«
Raffi rief: »Wir müssen den Schutt vor dem Notausstieg wegräumen!«
Frau Kaiser, eine Champagnerflasche in der Hand, lächelte und sagte charmant: »Danke, mein Herr. Den Versuch ist es wert.«
Ich spürte, wie mir die Schweißtropfen aus allen Poren drangen und an mir hinunterliefen. Auch mein Mund war ausgetrocknet von der Hitze. Ich lehnte den Champagner nicht ab.
Raffi war bereits vor dem Notausstieg und schlug mit der Hacke auf die Trümmer ein, die ihn blockierten. Stücke von Parkettdielen stoben nach hinten. Die Soldaten kamen ihm zu Hilfe. Hauptmann Brixen brachte die zweite Hacke mit, während die anderen Männer anfingen, die Trümmer beiseitezuräumen. Doch je mehr Raffi und der Hauptmann aus dem Weg schafften, desto mehr schien nachzukommen, Parkett, Splitter, Putz, Teile von Tischen und Stühlen.
»In dem Keller da drüben liegt das ganze Nachbarhaus«, meinte der Mann neben mir. Er klang bitter.
Ein Champagnerkorken flog durch die Luft. Frau Kaiser brachte die Flasche zu der Frau, die vorhin geheult hatte, und hielt sie ihr an die Lippen. Der Schaum perlte über das Gesicht der Frau und Frau Kaisers Hände.
»Meine Herrschaften!«, rief Frau Kaiser, während sie wieder vor das Champagnerregal trat. »Kommen Sie und holen Sie sich eine Erfrischung!«
Dieses Mal protestierte Frau Löffler nicht. Ich setzte Muffi auf den Boden, die Leine ums Handgelenk geschlungen, drängte mich mit den anderen um das Regal und nahm meine Flasche Champagner in Empfang. Als ich den Drahtverschluss aufdrehte, bemerkte ich, wie wund meine aufgeschürften Hände waren. Ringsherum knallten bereits die Korken.
»Zum Wohl!«, rief ein älterer Mann mit Schnurrbart und kippte ein Glas hinunter, und da erkannte ich ihn. Er war ein Filmstar, Katrin schwärmte sehr für ihn. Aber sein Name fiel mir nicht ein.
Mein Korken schoss heraus wie eine Rakete und die Flasche rauchte wie eine abgefeuerte Pistole. Ich goss den Schampus in ein Glas und wartete, bis er aufhörte zu schäumen, ehe ich einen Schluck davon nahm. Der Schaum würde meinen Durst nicht löschen.
Muffi drückte sich winselnd an mein Bein. Auch sie war durstig, aber Alkohol wollte ich ihr nicht geben. Ich blickte zu dem versiegten Wasserhahn, unter dem sich eine kleine Pfütze gebildet hatte. Dort führte ich Muffi hin und sie leckte das kostbare Nass auf.
Raffi bearbeitete unterdessen weiter den Notausstieg. Ich sah das Spiel seiner Rückenmuskeln; neun Monate ungenutzte Energie brach sich Bahn. Leutnant Frey, dachte ich, rettet mich schon wieder. Nach dem nächsten Schluck Champagner war mir schwummrig im Kopf.
Der Filmstar trat ans Grammophon und zog es auf. »Musik für unsere Retter!«, verkündete er.
Einer der Soldaten tippte erst Raffi, dann Hauptmann Brixen auf die Schulter. »Macht mal eine Pause, Kameraden!«, brüllte er. »Es gibt genügend frische Männer, so kommen wir schneller hier raus!«
Raffi reichte ihm die Hacke und kam durch den Raum zu mir, wobei er sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn wischte. Jemand gab ihm eine Champagnerflasche und er nahm einen kräftigen Schluck.
Die Grammophonmusik setzte ein.
Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein,
In den siebenten Himmel der Liebe.
Die Erde versinkt, und wir zwei sind allein,
In dem siebenten
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