Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
Vom Netzwerk:
mit Leberwurst und Brot und Äpfeln und Schokolade und dem Bier, das ich letzte Woche ergattert hatte. Muffi bekam alte Brotkrusten und ein Stück Leberwurst. Außerdem gaben wir ihr unsere Apfelreste, die sie glücklich verschlang.
    »Was ist passiert?«, erkundigte sich Mama.
    Raffi und ich sahen einander an.
    »Ich möchte alles wissen. Es kann nicht schlimmer sein als das, was ich mir ausgemalt habe.«
    Also erzählten wir es ihr. Schaudernd saß sie einen Moment schweigend da, dann schüttelte sie sich.
    »Wenigstens ist euch nichts passiert«, sagte sie. »Aber Jenny, du musst dir etwas ausdenken, falls Willi herumtratscht, dass er dich mit einem Jungen gesehen hat. Und …«, das klang schon wieder ganz nach Mama, »schaut euch bloß an, wie ihr ausseht. Ihr starrt vor Dreck und hier oben kommt kein Wasser mehr. Ich habe den Kessel vollgemacht, aber das ist unser Trinkwasser. Und das Wasser in den Löscheimern brauchen wir noch, falls die Tommys zurückkommen.«
    Grinsend meinte Raffi zu Mama: »Wir können uns doch in einem der Löscheimer waschen, Tante Sylvia, warum denn nicht? Schmutziges Wasser löscht genauso gut wie sauberes.«
    Raffi holte den Eimer, der auf der Hintertreppe deponiert war. Mama brachte uns Handtücher und Morgenmäntel, für mich einen warmen, nicht das dünne Seidennegligé, das mir Tante Grete geschenkt hatte. Und eine Haarbürste. Raffi und ich wuschen uns nacheinander.
    Es war leichter, mich sauber zu machen, als ich gedacht hatte, weil der meiste Schmutz an den Kleidern hing. Ich zog mich aus und wusch mir fröstelnd Gesicht und Hände. Als ich fertig war, schöpfte ich mit dem Küchensieb die Schmutzteilchen ab, die an der Oberfläche schwammen, um das Wasser für Raffi zu säubern. Ich trocknete mich ab und bürstete mir Asche und Staub aus dem Haar.
    Raffi grinste mich beim Hereinkommen mit seinem schmutzigen Gesicht an und ich grinste mit meinem frisch gewaschenen zurück. Als seine ausgestreckte Hand kurz meine streifte, durchfuhr mich ein wohliger Schauder. Mama quittierte es mit einem Stirnrunzeln. Und dabei hätte sie eigentlich froh sein müssen, dass Raffi und ich wieder gut miteinander waren. Sie hätte sich für mich freuen sollen.
    »Ich bin gleich mit der Feuerwache auf dem Dach an der Reihe«, meinte sie mit einem Blick auf ihre Armbanduhr. »Janke hat Wechselschichten eingerichtet. So ein Feuersturm kann binnen Minuten eine ganze Straße erfassen, sagt er. Falls das passiert, wird Raffi über die Hintertreppe flüchten müssen – hoffen wir, dass es nicht so weit kommt.«
    »Soll ich dich begleiten?«, bot ich mich an.
    Ich wünschte mir, dass sie ablehnte, und das hörte sie heraus. Wieder runzelte sie die Stirn, schüttelte jedoch den Kopf. »Nach allem, was du durchgemacht hast, brauchst du jetzt Schlaf.« Sie fasste mich an den Schultern. »Sieh zu, dass du wirklich schläfst, Jenny, ja?«
    Ich fragte sie nicht, was sie damit meinte. Es war klar.
    Ich versuchte, ihr braves Mädchen zu sein. In meinem warmen Nachthemd kuschelte ich mich unter die Bettdecke. Ich hörte, wie Raffi aus der Küche kam und Mama zu ihm sagte, er solle auch ins Bett gehen. »Es ist schon nach zwei.«
    Er sagte ihr gute Nacht und schloss seine Zimmertür hinter sich, während ich in der Dunkelheit lag und mit jeder Faser meines Körpers gegen den Schlaf ankämpfte.
    Die Uhr im Flur schlug halb drei. Mama verließ die Wohnung und sperrte von außen ab. Ich lauschte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, lauschte, wie sie die Treppe hinaufstieg, bis sie schließlich außer Hörweite war.
    Es war hoffnungslos. Ich stand auf.
    In der Schublade wühlte ich nach dem seidenen Nachthemd und Negligé. Obwohl ich vor Kälte bibberte, zog ich nicht den warmen Morgenmantel an, und plötzlich hatte ich es so eilig, dass ich nicht einmal mehr in meine Hausschuhe schlüpfte, wohl aber nahm ich mir noch die Zeit, einen Tupfer von Paulas Parfüm aufzutragen. Dann trat ich ins Dunkel, tastete mich durch den Türrahmen in den Flur und den Flur entlang bis zu Raffis Zimmer.
    Ich hörte die Federn quietschen, als er sich im Bett aufsetzte, und das schabende Geräusch, als er ein Streichholz an der rauen Seite der Schachtel anriss. Gleich darauf hielt er es an die Notkerze neben seinem Bett. Die kleine gelbe Flamme entzündete den Docht und wies schnurgerade an die Decke. In ihrem Schein sah ich sein Gesicht, ganz weich und ein bisschen verdutzt, als hätte er gerade gedöst. Plötzlich hatte ich

Weitere Kostenlose Bücher