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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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und gab sie Raffi. Als wir durch den Ausstieg schlüpften, knipste er sie an, und wir sahen, dass die Decke des Kellers nebenan halb eingestürzt war, die zerbrochenen Balken lehnten noch an der gegenüberliegenden Wand. Es hingen auch Elektrokabel herunter.
    »Nicht anfassen«, warnte mich Raffi. Beinahe wäre ich über ein heruntergefallenes Verdunklungsrollo gestolpert, wenn Raffi mich nicht aufgefangen hätte. Muffi wand sich so heftig, dass ich sie kaum noch halten konnte. Durch die leeren Fensterrahmen fiel der rote Schein der Feuer draußen auf Teile des mit Trümmern übersäten Kellerbodens. Zwischen zwei Balken gab es einen Durchgang, dort suchten sich der Filmstar und seine Partnerin ihren Weg. Wir stiegen ihnen hinterher ins Dunkle unter einen unversehrten Teil der Decke und orientierten uns dabei am kümmerlichen Strahl der Taschenlampe. Vor uns tat sich der nächste Notausstieg auf, durch den die Menschen bereits kletterten. Der Keller dahinter hatte nichts abbekommen.
    Wir passierten einen Durchlass nach dem anderen. Beim fünften beschwerte sich ein Mann laut über die vorbeipilgernden Menschenmassen. »Sei doch still, Manfred«, rüffelte ihn seine Frau. »Für was sind die Notausstiege denn sonst da?«
    Frau Kaiser, die hinter uns kam, entschuldigte sich tatsächlich für unser Eindringen.
    Drei Keller weiter hörten wir die Entwarnung. Als wir an die Oberfläche gelangten, waren wir nur noch ein kurzes Stück von zu Hause entfernt.
    Ich blickte unsere Straße entlang; alle Häuser waren still und dunkel, als hätte es nie einen Bombenangriff gegeben.
    »Mama ist nichts passiert«, sagte ich zu Raffi. Ich war überglücklich. Er legte mir die Hände um die Taille, hob mich vom Boden hoch und wirbelte mich herum, während Muffi wie wild unter meinem Griff zappelte und bellte. Dann setzte er mich wieder ab; im nächsten Augenblick zog ich mir das Halstuch vom Gesicht und er sich das Taschentuch in den Nacken und wir küssten uns. Immer noch hatte ich Muffi auf dem Arm, was es uns nicht leicht machte, aber irgendwie ging es. Wir hatten Asche und Sand zwischen den Lippen, und als ich ihm mit der freien Hand über die Haare strich, merkte ich, dass sie starr vor Asche waren. Ein wahnwitziger, wonnig-süßer Schauder durchlief mich – nur dass Muffi immer heftiger zappelte, sodass wir einander schließlich loslassen mussten.
    Während wir auf unser Haus zueilten, weg von der roten Feuerglut durch eine Art Abendröte auf die wundervolle, sichere Dunkelheit zu, auf Mama zu, lag Raffis Arm auf meiner Schulter. Direkt vor uns gingen zwei Frauen mit drei Kindern und einem Kinderwagen. Im Kinderwagen saß ein kleines Kind, das über ein Kissen, einen Kochtopfgriff und einen Fotorahmen hinweg herauslugte.
    »Sie wohnt in Nummer siebenunddreißig«, sagte die Frau, die den Kinderwagen schob, zu der anderen, »meine Cousine Ulrike.«
    »Bist du sicher, dass sie Platz für mich und die Mädchen hat?«, fragte die andere.
    »Die Wohnung ist groß …«, versicherte ihr Erstere.
    Ein weiterer Trupp uniformierter Flakhelfer, junge Burschen und Männer, eilten hinter ihrem Offizier die Straße lang. Einer von ihnen starrte mich und Raffi an. Als seine Kumpel ihm etwas zuriefen, setzte er sich wieder in Bewegung. Angst durchzuckte mich.
    »Wer war das?«, wollte Raffi wissen.
    »Willi Mingers«, entgegnete ich.
    Raffi meinte: »Er weiß zwar nicht, wer ich bin, aber trotzdem sollten wir uns jetzt lieber trennen, Jenny. Niemand wird sich was dabei denken, wenn ich allein das Haus betrete, es sind ja so viele Leute unterwegs. Aber mit dir zusammen …«
    Ich wollte mich nicht von ihm trennen, nicht einmal für kurze Zeit, aber er hatte ja recht. Ich bot mich sogar an, den Anfang zu machen.
    Als ich oben die Wohnungstür aufsperrte, kam Mama sofort aus ihrem Schlafzimmer in den Flur geeilt, die Petroleumlampe, die wir für Stromausfälle bereithielten, in der Hand. Sie hatte geweint.
    »Jenny! Gott sei Dank. Aber was ist mit Raffi …?«
    »Ich habe ihn gefunden«, beruhigte ich sie. »Er kommt nach. Ach Mama, ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!«
    Sie umarmte mich und schluchzte vor Erleichterung, während Muffi bellend an uns hochsprang.
    Zehn Minuten später war Raffi an der Hintertür.
    Nicht lange zuvor hatte uns Tante Grete einige Leckereien gebracht, und so setzten wir uns schmutzig, wie wir waren, mit Mama an den Tisch – sie hatte vor Sorge bisher nichts hinuntergebracht – und stärkten uns

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