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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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mir das Tuch wieder um Mund und Nase. Inzwischen war es völlig verdreckt.
    »Gut gemacht, Jungs«, sagte er und salutierte: »Heil Hitler!«
    Sie salutierten alle zurück. Einer schob seine Gasmaske hoch und meinte: »War mir eine Freude zu helfen, Herr Leutnant.« Dann rannten sie davon.
    »Sind ja ganz brauchbar«, sagte Raffi zu mir, »die jungen Kerle heutzutage.« Sogar durch das Taschentuch war ihm anzuhören, dass er dabei grinste. »Das sind Flakhelfer, die ihren Offizier verloren haben. Sie machen sich jetzt auf die Suche nach ihm.«
    »Herr Leutnant«, sagte ich, »wie lautet eigentlich Ihr Nachname?«
    »Leutnant Frey«, antwortete er. »Ich bin gerade auf Heimaturlaub von der italienischen Front. Du hast es doch kapiert, oder? Frey – frei!«
    Da musste ich lachen. Ich stand auf dem mit Glasscherben übersäten Kurfürstendamm und lachte wie irre, während in dem Gebäude auf der anderen Straßenseite das Feuer in den leeren Fensterhöhlen loderte.
    »Warum bist du von mir weggelaufen?«, erkundigte sich Raffi. »Ich will doch auch wissen, ob es Tante Sylvia gut geht.«
    »Mama«, fiel es mir wieder ein. »Los, machen wir uns auf den Weg, Raffi.«
    Er marschierte neben mir her. »Jenny, ich möchte dir etwas sagen«, begann er. »Als ich dachte, dass du tot bist, da habe ich …«
    Aber da heulten wieder die Sirenen, es gab einen weiteren Angriff, und aus einer Rauchwolke tauchte ein Polizeibeamter auf und zog sich die Gasmaske vom Gesicht.
    »Ab in den Schutzraum!«, brüllte er, »und zwar sofort!« Er hatte richtig Angst, das hörte man ihm an.
    »Nein«, widersprach ich. »Wir müssen nach Hause.«
    »Jenny, Tante Sylvia bringt es gar nichts, wenn wir hier draußen herumlaufen, während es Bomben hagelt«, führte Raffi an.
    »Hier lang!«, rief der Polizeibeamte. »In das Hotel da drüben!«
    Er zeigte auf ein dunkles Gebäude, das merkwürdig wirkte, weil es weder in Trümmern lag noch brannte. Er wieselte umher, fuchtelte mit den Armen und schrie jedem auf der Straße zu, im Keller des Hotels Zuflucht zu suchen. Ich wollte nicht, aber Raffi legte den Arm um mich und zerrte mich stolpernd durch das Chaos, das einst der Kurfürstendamm gewesen war, zum Hoteleingang.
    Wir befanden uns in einer großen, vornehmen Lobby mit einem schmiedeeisernen Aufzug in einer vergoldeten schmiedeeisernen Kabine zur Linken. Hier standen Topfpalmen und eine elegante Lampe warf gedämpftes Licht auf den leeren Rezeptionstresen aus Mahagoniholz. Das Licht kam unerwartet, ich musste blinzeln. Dann sah ich zwei Gestalten auf uns zukommen, die Haare und ihre Kleider waren über und über mit Asche bedeckt. Die Person rechts trug einen Hund auf dem Arm, der wie ein schmutziger Mopp aussah.
    »Was, um …?«, begann ich, ehe ich merkte, dass ich in einen Spiegel blickte. Auf Raffis Augenbrauen lag dick die Asche und in seinem Haar steckte ein Holzsplitter. Hinter uns zog sich eine Schlange weiterer aschgrauer Leute hin, sie hinterließen eine schmutzige Spur auf dem teuren purpurroten Teppich.
    »Komm schon«, drängte Raffi. »Es ist doch unwichtig, wie wir aussehen.«
    Obwohl ich immer noch zu Mama wollte, folgte ich ihm zur Kellertreppe hinter dem Aufzug. Die Stufen waren nicht mit Teppich, sondern mit Linoleum belegt, aber von der schönen Sorte. Schmucke, schlichte Lampen an der Wand leuchteten uns den Weg. Unten angekommen fanden wir einen großen Raum vor, mit Sofas und Lehnsesseln und Hängelampen. In der Ecke standen ein Billardtisch und ein aufziehbares Grammophon mit Schalltrichter.
    Die vornehmen Leute, die dort Schutz gesucht hatten, trugen Kaschmir- und Pelzmäntel und glänzende Schuhe. Entsetzt starrten sie uns an; unsereins war hier fehl am Platz. Eine Frau hinter mir sagte trotzig: »Die Polizei hat uns hergeschickt.«
    Eine Dame in einem schicken Mantel, offenbar die Hotelchefin, sagte: »Sie sind alle willkommen, gnädige Frau. Kommen Sie und ruhen Sie sich aus.«
    Kaum hatten wir uns auf einem schönen, feinen Sofa niedergelassen, zerriss mir eine Explosion fast das Trommelfell. Alle Lichter erloschen. Menschen kreischten und ein Mann sagte laut: »Aber ich habe gar keine Flugzeuge gehört!«
    »Dann kann et wohl keene Bombe jewesen sein«, meinte eine Stimme mit Berliner Arbeiterakzent sarkastisch.
    »Eine mit Zeitzünder«, erklärte ein anderer Mann. »Deshalb haben wir sie nicht fallen gehört.« Ein Geräusch wie ein Windstoß hob an, dann hörten wir ein Tosen über unseren Köpfen.
    Ganz ruhig

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