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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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mitgebracht, in ihrem Schein sah ich seine besorgte Miene. Meine Wut schmolz dahin, doch ich klammerte mich noch an den letzten Rest davon.
    »Es war so wundervoll letzte Nacht, an nichts denken zu müssen – und es ist wahrscheinlich fürchterlich kompliziert, diese Dinger zu benutzen …«
    Er grinste mich an. »Wir bekommen Gelegenheit, etwas Neues zu lernen.« Ich musste lachen, er konnte mich immer zum Lachen bringen, wenn er es darauf anlegte. »Komm unter dieser Decke vor, damit ich dich richtig küssen kann.«
    Meine erwachsene, vernünftige Seite wusste, dass Mama und er recht hatten, deshalb tat ich, was vernünftig war, aber insgeheim wünschte ich mir innig, dass in mir bereits sein Baby heranwuchs.
    Janke kam und gab Bescheid, im Keller gebe es Wasser, der Druck reiche jedoch nicht für die oberen Etagen. Wir könnten aber mit Eimern welches holen. Unten traf ich Frau Tillmann.
    »Gott sei Dank ist dir nichts passiert!« Sie schüttelte den Kopf. »Deine Mutter hat nicht viel gesagt, aber man sah ihr an, wie sehr ihr die Ungewissheit, was mit dir ist, zugesetzt hat.«
    Als ich mich schließlich hatte überwinden können, Mama wieder unter die Augen zu treten und zu frühstücken, hatte sie mir erklärt, was sie den anderen Leuten im Keller als Grund für meine Abwesenheit – und ihre Sorge um mich – erzählt hatte. Ich hätte angeblich eine Bestellung an einen Kunden in der Nähe des botanischen Gartens ausgeliefert. Wir bastelten etwa eine halbe Stunde lang an der Legende über den Verlauf dieses Abends. Raffi wollten wir, obwohl Frau Tillmann und Janke ihn gesehen hatten, mit keinem Wort erwähnen.
    Frau Tillmann nahm ihren Eimer und stöhnte, weil er so schwer war. »Es war sehr unbedacht von diesen Leuten, dich während der Verdunklung heimgehen zu lassen.«
    Ich stellte meinen Eimer ab und drehte den Wasserhahn auf. »Mama wollte, dass ich bis heute warte, aber ich dachte, mit Muffi passiert mir schon nichts. Und mit einem Luftangriff habe ich nicht gerechnet.«
    »Ihr jungen Leute.« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ihr glaubt immer, euch kann nichts geschehen. Wo warst du denn, als die Bomben gefallen sind?«
    »In der Untergrundbahn«, erklärte ich. »Auf dem Heimweg.« Wir hatten entschieden, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. »Als der Zug am Kurfürstendamm hielt, fingen die Sirenen zu heulen an, und wir suchten dort Schutz. Der Rückweg war schrecklich. Ich möchte gar nicht mehr daran denken.«
    Sie nickte düster. »Man erzählt sich, in den Außenbezirken stand ein Zug in Flammen. Der Fahrer und sämtliche Passagiere waren tot, aber der Zug fuhr immer weiter, bis ihm die Kohlen ausgegangen sind.«
    Dann kam Frau Janke mit ihrem Eimer und ich erzählte ihr das Gleiche wie Frau Tillmann. Frau Tillmann wiederholte noch einmal ihre Geschichte von dem Zug voller Leichen, und Frau Janke berichtete, der Zoo sei getroffen und dabei alle Elefanten getötet worden. Die Löwen hätten entkommen können und streiften jetzt durch die Straßen.
    Frau Tillmann erschauderte. »Es ist wie im Mittelalter, wir müssen Wasser schleppen und haben Angst, dass uns wilde Tiere auflauern und fressen. Tja, ich muss los. Wir haben das Geschäft ganz normal geöffnet. Es waren bereits Kunden da, die neues Geschirr brauchen.«
    Ich brachte den Eimer nach oben und berichtete Raffi vom Zoo.
    »Wir haben immer zugesehen, wie sich die Elefanten selbst mit Wasser bespritzt haben, weißt du noch? Es waren wahrscheinlich dieselben Elefanten, Elefanten werden ja ziemlich alt, nicht wahr?«, meinte Raffi.
    »Die armen Tiere, sie hatten doch nichts verbrochen«, sagte ich.
    Raffi legte die Arme um mich und hielt mich fest. »Sei bloß vorsichtig, wenn du rausgehst. Ich möchte nicht, dass du als Löwenfutter endest.«
    Später zog ich tatsächlich los und machte mich auf die Suche nach Geschäften, die noch standen. Ich ging in Hosen, weil ich über Trümmer würde klettern müssen, und mit Wanderschuhen. Schlimmer als alles andere war der Brandgeruch in der Luft. Das Halstuch um den Mund gewickelt, um mich nicht übergeben zu müssen, reihte ich mich in die Menge der Berliner ein, die sich ihren Weg durch die Überreste der Stadt bahnten. Manche trugen wie ich Einkaufstüten, andere schoben Handkarren mit Möbeln oder schleppten Koffer.
    Der Bäcker befand sich nur ein paar Türen weiter und er hatte geöffnet. Vor mir in der Schlange stand Frau Mattes aus unserer Straße. Gaby Mattes hatte meine Klasse

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