Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)
there’s only one kind
So hush now child
and don’t you cry.
Your folks might understand you
by and by.
Just move on up
and keep on wishing.
Remember your dreams
are your only schemes.
So keep on pushing,
take nothing less –
not even second best.
And do not obey –
you must have your say.
You can pass the test
Move on up!
Auch der geregelte Ablauf in der geschlossenen Abteilung war im Grunde gut für mich: feste Zeiten beim Essen, Aufstehen, Zubettgehen, auch wenn ich das alles einfach nur furchtbar fand. Tagsüber gewöhnte ich mir an, stundenlang Tischtennis zu spielen, und irgendwann war auch dieses Wochenende vorüber.
Dass ich in den Iran reisen wollte und auf jeden Fall alt genug dafür sei, das war aber überhaupt nicht das Thema, um das es der Psychiaterin bei unserem Gespräch ging.
»Du wolltest dir das Leben nehmen«, sagte sie. »Du bist vom dritten Stock ins Treppenhaus gesprungen. Wir müssen dich so lange hier behalten, bis du nicht mehr den Wunsch hast zu sterben.«
»Aber ich will doch gar nicht sterben«, beteuerte ich. »Ich will in den Iran fliegen!«
»Ach so«, meinte sie. »Dann hast du also die Drohung, dir etwas anzutun, nur als Druckmittel verwendet, um dein Ziel zu erreichen?«
»Ja, genau«, sagte ich und hoffte, dass man mich nun endlich wieder gehen ließe.
»Aber das kannst du nicht machen«, fuhr die Ärztin fort. »Du kannst nicht jedes Mal, wenn du etwas willst, drohen, dass du dich umbringst.«
»Warum nicht?«, fragte ich.
»Weil das unfair den anderen Menschen gegenüber ist«, erklärte sie mir ganz ruhig und sachlich. »Was sollen sie denn bitte tun, wenn du ihnen mit Selbstmord drohst? Sollen sie zu Mördern werden? Das ist Erpressung. Sie können dann ja nichts anderes machen, als deinen Wunsch erfüllen.«
Ich schwieg überrascht. So hatte ich das noch nie betrachtet.
»Wenn du unbedingt sterben willst«, fuhr die Ärztin fort, »dann zieh keine anderen Leute da mit rein. Aber du hast selbst gesagt, dass du gar nicht sterben willst. Du musst lernen, dass du deine Probleme und Konflikte anders löst.«
Elke kam mich besuchen, und auch mit ihr sprach die Ärztin.
»Ich glaube Ihnen schon, dass Meral psychisch gesund ist«, sagte sie, »und ernsthaft suizidgefährdet scheint sie auch nicht zu sein. Dennoch muss sie lernen, dass das so nicht geht.«
Und so blieb ich noch zwei Wochen dort. Allerdings hatte ich keine Gespräche mehr, auch nicht mit einem Therapeuten. Ich hätte es gut gefunden, jeden Tag eine Stunde wenigstens mit jemandem so reden zu können wie mit dieser Ärztin. Doch die Tage vergingen, ich hörte Musik, spielte Tischtennis und rauchte Haschisch, das mir Elke auf meinen Wunsch hin heimlich brachte. Mehr passierte nicht.
Doch ich hatte etwas gelernt. Ich hatte Zeit gehabt, über alles nachzudenken, und sah ein, dass etwas Wahres dran war an dem, was die Psychiaterin gesagt hatte. Nicht, dass ich von nun an aufhören würde zu versuchen, mir das Leben zu nehmen. Doch von nun an zog ich niemand anderen mehr mit hinein.
Als ich entlassen wurde und nach Hause fuhr, fand ich meine Möbel im Treppenhaus – das Jugendamt hatte mir die Wohnung weggenommen. Wieder begann für mich eine Odyssee von Rhea zu Lukas, mit dem ich immer noch befreundet war. Die Mitarbeiter vom Sozialamt behandelten mich wie eine Aussätzige, keiner wollte mehr etwas mit mir zu tun haben. Ich entschuldigte mich bei der Frau, deren Daumen ich gebrochen hatte, das hatte ich wirklich nicht gewollt. Wie es mit mir weitergehen sollte, war unklar. Inzwischen wurde beim Jugendamt diskutiert, ob man mich auf ein Segelschiff schicken sollte, um mit schwer erziehbaren Jugendlichen ein Jahr lang über die Weltmeere zu schippern. Ich hatte keine Lust auf so etwas, schließlich war ich nicht schwer erziehbar. Bis auf die Toberei nach meiner abgebrochenen Reise hatte ich nie etwas angestellt, hatte mich weder geprügelt, noch geklaut oder Autos angezündet. Es war nicht leicht, mit mir umzugehen, ich hatte eindeutig ein Problem mit Autoritäten, aber, hallo, war es denn so schwer, darauf zu kommen, was die Ursache für mein Verhalten war? Von klein auf war ich von meinem Vater Hunderte Male brutal verprügelt worden. Doch das alles interessierte keinen.
In meiner Akte stand, dass ich damals in Büttgen aus dem Kinderheim abgehauen war, mich jetzt mit mehreren Mitarbeitern geprügelt und dabei sogar einer Kollegin den Daumen gebrochen hatte. Das genügte, damit keine
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