Nicht ohne meinen Mops
Schatz wollte auch nicht, dass ich gehe, aber ich kann doch nicht mit jemandem leben, der zwei-, dreimal die Woche mit anderen …« Chris schlägt die Hände vors Gesicht und zieht die Nase hoch. Ich reiche ihm die Kleenex-Packung, Rolf stopft ihm ein Toffifee in den Mund.
»Was macht Schatz denn jetzt?«, frage ich.
»Schatz ist Herrenschneider in Köln, am Theater.« Schneider? Herrenschneider? Moment … Schatz, ein Mann? Chris, mein schöner Adonis, ist schwul?
»Äh … ist Schatz ein Mann?« Ich wette, in diesem Moment schaue ich belämmerter aus der Wäsche als der Papst, wenn er einen seiner Kardinäle in Dessous entdeckt.
»Ja, klar doch.« Chris grinst. »Sag bloß, du hast nicht …«
»Ja, doch, äh, ich mein, natürlich, ist doch kein Problem …« Ach du liebe Zeit, Tanja, halt die Klappe!
»Na ja, so wie der typische Schwuchtel sieht unser Chris ja auch nicht aus«, sagt Rolf. Danke, rette mich!
»Wie sieht denn bitte schön ein typischer Schwuler aus?« Chris ist leicht pikiert, doch ein Schlückchen Prosecco besänftigt sein Gemüt.
»Wie ich jedenfalls nicht«, sagt Rolf und grinst.
»Ach komm, jetzt sag bloß, du … auch?«
Rolf nickt. Grinst. Und dann lacht er, er lacht und gackert und grölt, bis Chris auch einen Lachkrampf hat. Irgendwann wälzen die beiden sich auf dem Boden, irgendwo dazwischen Earl, der bellt und mit dem Schwanz wedelt und schließlich zu mir auf die Couch flüchtet.
»Und da dachte ich, ich hab mir zwei Sahneschnittchen angelacht«, flüstere ich Earl ins Ohr. Der Mops leckt mit seiner rosa Schlabberzunge über mein Gesicht. Keuchend und nach Luft schnappend rappeln sich die Jungs schließlich hoch.
»Oh, Prinzesschen!« Rolf nimmt mich in die Arme. Und da ist – nichts. Sein Geruch ist mir mit einem Mal schnurzegal, seine Muskeln …
»Schade drum, ehrlich«, sage ich schließlich. Die Jungs gackern erneut los und dieses Mal kann ich mich auch nicht mehr halten. Noch eine Flasche Prosecco! Noch ein Schächtelchen Pralinen! Und – ein Racheplan, der Marc, den Arsch, deutlich aus der Bahn bringen wird. Rolf und Chris wollen ihm all das antun, was sie bei ihren Schätzen versäumt haben. Und, ganz ehrlich, ich habe nichts dagegen. Wer kann zwei bezaubernden Schwulen schon was abschlagen? Tanja jedenfalls nicht.
Die ›Operation Affenarsch‹ startet zwei Wochen später. Ich musste erst sämtliche noch nicht ausgepackten Kisten leeren. Und selbstverständlich war das, was ich suchte, doch in einem der Kartons im Keller.
Rolf und Earl haben sich auf ein spätes Frühstück in den Imbiss getrollt und so steigen Chris und ich zu zweit die Treppe in den Tiefkeller hinunter. Das heißt: Ich steige, Chris schleicht. Als ich bereits auf dem festgestampften Erdboden angekommen bin, schwebt er noch auf halber Treppenhöhe.
»Tanja, wie eklig, die Spinnweben«, jammert mein Mitbewohner. Seit ihrem ›Outing‹ sehe ich die Jungs in einem anderen Licht – oder geben sie sich nun erst so, wie sie wirklich sind? Egal, in diesem Moment auf der Kellertreppe ist Chris die perfekte Tucke.
»Duck dich halt«, schlage ich vor. Chris befolgt meinen Rat und schreit gleich darauf wie am Spieß. Er macht auf der Hacke kehrt, stolpert, fängt sich gerade noch und brüllt oben angekommen wie eine Feuerwehrsirene.
»Was ist denn los?« Ich haste die Treppe hinauf. Chris veranstaltet einen Affentanz.
»Nimm das weg, nimm das weg!« Seine Stimme überschlägt sich. Und da sehe ich die Spinne, die sich in sein schönes, blondes Haar abgeseilt hat. Das Monster ist in etwa so groß wie der abgebrochene Nagel meines kleinen Fingers. Ich wette, die Spinne hat mehr Angst als Chris.
»Halt still«, zische ich, aber Chris schüttelt sich, als sei er ein mit Crack vollgedröhnter Gogotänzer.
»Mach das weg!«
»Kann ich nicht, halt mal still.« Ich mag auch keine Spinnen. Vor allem nicht solche, die handtellergroß sind, haarig und in meiner Wohnung sitzen. Aber dieses Exemplar … ein Baby. Apropos Baby – da fällt mir wieder ein, warum wir auf dem Weg in die Katakomben waren. Ich packe Chris bei den Haaren und fummele das zitternde Insektchen heraus. Das Spinnchen hat garantiert gerade vor Angst in Chris’ Haarpracht gepullert.
»Ist es weg? Oh Gott, ist es weg?«
»Ja, beruhig dich«, sage ich und lasse das winzige Krabbeltier über meine Finger turnen. Wer wie ich am Waldrand aufgewachsen ist, der kennt da ganz andere Kaliber. Vorsichtig setze ich die Spinne auf die
Weitere Kostenlose Bücher