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Nicht ohne meinen Mops

Nicht ohne meinen Mops

Titel: Nicht ohne meinen Mops Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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dem ausgefüllten Formular gehe ich zurück an den Tresen. Die Lady dahinter wirft einen kurzen Blick darauf und stellt mir dann einen vorübergehenden Bibliotheksausweis aus. »Der reguläre Ausweis wird Ihnen per Post zugesandt, sobald die Nutzungsgebühr abgebucht ist.«
    Ich stelle mir vor, dass Rolf an jenem Tag Dienst in unserem Bezirk haben wird und staunend vor Ehrfurcht die Post der Bibliothek an Tanja, die Arzthelferin mit der Tabakladenkarriere einwirft. Oder, besser noch, mir selbst übergibt. »Tanja«, wird er sagen, »ich bin stolz auf dich, willkommen in der Welt der Wissenden.«
    Bis dahin allerdings liegt eine Forschungsreise quer durch die Regale vor mir. Ich beschließe, erst einmal einen Kaffee aus dem Automaten im Flur zu ziehen. Mit dem dampfenden Pappbecher in der Hand trete ich in die kalte Novemberluft und blase zum ohnehin vorhandenen Nebel noch ein paar Rauchzeichen aus meiner Zigarette. Mit dem schwarzen Rollkragenpullover und der kokett gehaltenen Kippe sehe ich fast schon intellektuell aus, wie mir mein Spiegelbild in der Glastür verrät.
    Der Kaffee ist allerdings schnell kalt und die Zigarette zu Ende geraucht. Also zurück in die Höhle der Löwin in der Rüschchenbluse. Dieses Mal schweige ich beim Betreten der Bibliothek. Vom Tresen schnappe ich mir eine Info-Broschüre und erfahre, dass 13.057 Sachbücher auf mich warten. Dazu über 5.000 Romane. Wow. Blüschen schaut nur kurz auf und so steuere ich in den ersten Gang. Fast endlos reihen sich Bücher um Bücher in den Metallregalen. Von gediegenem Holz, von Leitern für die oberen Regale oder gar von antiquierten Büchern im Ledereinband fehlt jede Spur. Klar, ich bin ja auch nicht in Ecos ›Der Name der Rose‹ (ich kenne allerdings nur den Film und nicht das Buch), sondern in der Degerlocher Stadtteilbücherei. Immerhin scheint die Auswahl System zu haben: Nach Anfangsbuchstaben sortiert, lehnen sich die Autoren Buchrücken an Buchrücken.
    Es macht fast kein Geräusch, als ich mit dem ausgestreckten Zeigefinger über die Buchrücken fahre, während ich durch die Reihen schlendere. Ist ja auch kein Stöckchen am Gartenzaun – müsste also selbst von Blüslein gestattet werden. Ich schleiche an den Romanen vorbei, durch die Selbsthilfeabteilung, komme zu den Reiseführern für alle möglichen Länder, die ich mangels Budget sowieso nicht bereisen werde, mache kehrt und studiere die Titel jener Bücher, die mir schnelle Hilfe bei allen möglichen Problemen versprechen: ›Erste Hilfe bei Magenkrämpfen‹ (habe ich keine), ›Loslassen‹ (das Buch, oder was?), ›Konzentration einfach gemacht‹ (mit Koks?), ›Einschlafen mit der Schäfchenmethode‹ (klar, ein Buch mit tausend gemalten Schafen drin, oder wie) und Büchern, die ich eigentlich eher in die Komikecke stellen würde. Beispiel? ›Fröhlich durch die Depression‹. ›Toller Trauern‹. ›Abnehmen mit Schokolade‹. Überhaupt das Thema schlanke Linie: Gut drei Viertel aller Regalplätze nehmen dicke Schwarten zum Dünnsein ein. ›Siebzig Pfund weniger in drei Tagen‹. ›Die Kokosnuss-Diät‹. ›Garantiert schlank mit der Sumo-Ringer-Diät‹.
    Ich bemerke, dass ich Hunger bekomme. Schnell lasse ich die Ratgeberabteilung hinter mir – und stehe plötzlich in der Fachbuchabteilung. Unterabteilung Veterinärmedizin. Mein Hungergefühl ist so schnell verschwunden, wie es kam. Stattdessen macht sich eine Mischung aus Magengrimmen und Kribbeln bemerkbar. Arne. Der Veterinär. Andererseits … so ein kleiner Blick in ein, zwei Bücher kann ja nicht schaden. Ich muss ja beim Lesen nicht an meinen verschwundenen Nachbarn denken. Denke ich. Und ehe ich weiter denken kann, finde ich mich an einem der Tische wieder, vor mir sieben Bücher. Das Skelett des Hundes. Behandlung von Amphibien. Katzenkrankheiten, Pferde-Wehwehchen und Geburtenkontrolle bei Rindern. Ich blättere etwas unsicher. Schaue die Bilder an. Dann aber saugt mein Blick sich an einem Text über Eierstockentzündungen bei Kaninchen fest … und ehe ich mich versehe, beginnt rings um mich herum das große Stühlerücken. Die Wanduhr über Blüschens Platz zeigt 17.59 Uhr. Eine Minute noch und die Bibliothek schließt. Schnell raffe ich die Bücher zusammen. Veterinärmedizin ist ganz schön sperrig und schwer. Ich will eben an Frau Bluse vorbeirennen, als diese sich mir in den Weg stellt.
    »Sie da!«, ruft sie. Ich erstarre vor Schreck und der Bücherstapel in meinen Armen beginnt zu schwanken. Oh

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