Nicht ohne meinen Mops
ihres Jahrgangs bekommen jetzt Kinder und das will verständlicherweise kein Arbeitgeber.« Klar. Logisch. Schon gar nicht der Vater sein.
Wenn also meine Eierstöcke dafür verantwortlich sind, dass ich trotz mittlerweile 76 Bewerbungen an vermutlich alle praktizierenden Ärzte der Stadt inklusive Proktologen, keine Anstellung bekomme … Soll ich warten bis zum Klimakterium? Mich sterilisieren lassen und den OP-Bericht den Bewerbungen beilegen? Oder bereits im Anschreiben darauf hinweisen, dass Arne sich vom Acker gemacht hat, kaum dass unsere Beziehung hätte beginnen können, dass also mein Uterus unterbeschäftigt ist und seit Urzeiten kein Spermium mehr gesehen hat?
Die Sache mit den Kleinanzeigen habe ich mittlerweile aufgegeben. Ich mag weder als Pizzakurier noch als Tellerwäscherin arbeiten. Und meine vorsichtige Anfrage bei Onkel Fritz, ob denn zuuufällig nun wieder mehr Menschen rauchen und er sich eine Angestellte leisten könnte, verlief im Sande. Und so bin ich Tanja, die Arbeitslose. Tanja, die sich die Tage damit vertreibt, einen potenten Mops durch die Stadt zu führen. Tanja, die sich auf den Stamm-Spielplatz nicht mehr traut, denn wer riskiert schon freiwillig die erneute Begegnung mit Schantall, deren Mutter oder gar einer Plastikschaufel mitten auf die Zwölf?
Es hat einige Anläufe gedauert, ehe Earl und ich einen akzeptablen Platz gefunden hatten. Der Erste, den wir getestet hatten, lag in einem Hochhausgebiet Richtung Cannstatt, aber mit der Bahn gut zu erreichen. Außer den Gerippen einer Rutsche und dem, was mal eine Wippe war, gab es auf dem Platz nur Beton – und der war sogar auf dem Boden mit Graffitis übersät. Vorteil: Hund und Tanja waren allein. Nachteil: Earl hätte sich beinahe die Pfote an einer zerdepperten Bierflasche aufgerissen, die dekorativ neben einem Spritzbesteck neben dem überquellenden Mülleimer lag.
Platz Nummer zwei lag mitten in Rohrdorf am Speckgürtel der Stadt. Earl mochte das Rindenmulch sehr, das zwischen Sandkasten und Schaukeln auf dem Boden lag. Die Kinder mochten Earl sehr. Die Mütter hatten nichts gegen den Mops (»So ein bisschen Dreck hält gesund!«). Allerdings hatte ich etwas gegen die Ökomamas – bereits nach 15 Minuten auf dem Spielplatz machte sich meine Öko-Allergie bemerkbar: Unkontrolliertes Zucken der Fäuste, das kaum zu bezwingende Verlangen, den Tanten gegen die Knie zu treten, wenn sie über das aktuelle Stillverhalten von Jonas oder Frieda tratschten oder über die besten Waschnüsse zur Reinigung von Tristans vollgeschissenen Jutewindeln.
Spielplatz drei, vier und fünf schieden sofort aus, denn die Schilder ›Hunde verboten‹ prangten in Plakatwandgröße direkt am Eingang. Nummer sechs allerdings zog uns magisch an: große Wiese zum Bolzen, kleine Wiese für die Hunde. Sandkasten für die Kinder und … ein Sandkasten nur für Hunde. Das größte Hundeklo der Stadt!
Als der Mops zum ersten Mal seine Nase in den mit Hundepipi sicher von Generationen von Teckeln, Schäferhunden und Settern gut getränkten Sand steckt und gleich darauf einen beachtlichen Haufen in die rechte Ecke des Klos setzt (den ich vorschriftsmäßig sofort mit einer Tüte wieder aufsammele … igitt!) weiß ich: Earl und Tanja haben eine neue Zuflucht für die öden Nachmittage der Arbeitslosigkeit gefunden. Und während Earl sich einen Winterpelz zulegt (was wir in der WG durch vermehrtes Aufkommen von Hundehaaren auf den Fliesen bemerken) und ich mich von Woche zu Woche in wärmere Klamotten schmeiße, geht die Zeit dahin. Chris telefoniert Tag für Tag im Callcenter. Rolf trägt Tag für Tag die Post aus. Und Tanja dackelt Tag für Tag mit dem Mops zum Spielplatz und liest sich durch einen Roman nach dem anderen aus Rolfs Fundus. Kaufen kann ich mir längst keine Bücher mehr. Ich entdecke Fannie Flagg, die Meisterin der ›Grünen Tomaten‹ und ich lerne Arturo Bandini kennen, die literarische Figur von John Fante. Ich verliebe mich in Dante Alighieris ›Göttliche Komödie‹ (für die ich allerdings 14 Tage und zahlreiche Gespräche mit Rolf, immer mit mindestens einer Flasche Rotwein, benötige). Ich entdecke Arto Paasilinna für mich und träume zehn Tage lang davon, nach Finnland auszuwandern. Und ich beschließe, mir einen Ausweis für die Stadtbücherei zu besorgen. Rolfs Buchregale sind zwar bis zum Bersten gefüllt und wöchentlich kommen neue Werke hinzu. Doch nicht alles, was da steht, ist nach meinem Gusto – schwule Literatur mag
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