Nicht schießen, Johnny!
Ihre Familie heimgesucht hat.«
»Danke«, antwortete Orthcutt schlicht.
»Vielleicht tröstet es Sie ein wenig, wenn Sie die Wahrheit über das Geschehene erfahren. Sollten Sie irgendwann den Wunsch haben, zu gehen, dann sagen Sie es bitte frei heraus. Ich habe unten einen Wagen bereitstellen lassen, der Sie nach Hause bringt.«
»Sie sind sehr gut zu uns«, sagte Mrs. Orthcutt, die sich trotz ihres Kummers großartig hielt. Lindholm bewunderte sie deswegen.
»Ich übergebe jetzt Mr. Tibbs das Wort. Er wird Ihnen die Zusammenhänge erklären. Es ist meines Erachtens sehr wichtig, daß Sie sie richtig verstehen, auch wenn es für Mr. und Mrs. Orthcutt schmerzlich sein dürfte. Es gehört zum Job eines Polizeibeamten, dafür zu sorgen, daß die Schuldigen bestraft werden; er soll aber auch dafür sorgen, daß der Unschuldige nicht bestraft wird.« Der Captain lehnte sich im Sessel zurück und sah Tibbs erwartungsvoll an.
Virgil Tibbs betrachtete sein Auditorium mit der Miene eines Menschen, der sich nur zögernd zum Sprechen entschließt. »Ich glaube, es wird am besten sein, wenn ich Ihnen die Ereignisse der Reihe nach schildere. Falls Sie danach noch Fragen haben, werde ich versuchen sie zu beantworten.
Vor einigen Wochen zogen Mr. und Mrs. McGuire mit ihrem Sohn Johnny aus Tennessee hierher nach Pasadena. Mr. McGuire hoffte sich hier beruflich und finanziell zu verbessern. Gleich vielen anderen Menschen besitzt Mr. McGuire ein starkes Unabhängigkeitsgefühl, und ebenfalls gleich vielen anderen, glaubte er es dadurch zu bekräftigen, indem er einen geladenen Revolver, fertig zum Gebrauch, in seiner Wohnung aufbewahrte. In seinem Fall handelt es sich um einen Colt Chiefs Special, eine besonders gefährliche Waffe. Unglücklicherweise hob er sie an einer Stelle auf, die auch einem Kind zugänglich war, zeigte sie seinem Sohn und erklärte ihm oberflächlich, wie man damit umgeht.
Um Mr. McGuire Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß ich darauf hinweisen, daß der Besitz dieses unregistrierten Revolvers nicht gegen das Gesetz verstößt.«
Virgil legte eine Pause ein und wartete, aber Mike McGuire blieb mucksmäuschenstill.
»Vor zwei Tagen«, fuhr Virgil fort, »nahm Johnny McGuire sein kleines Transistorradio in die Schule mit. Billy Hotchkiss entwendete es ihm während der Pause und neckte ihn damit grausam. Schließlich ging das Radio, das Johnny sehr viel bedeutete, bei dem Handgemenge entzwei. Billy hatte das nicht beabsichtigt, und man muß ihm zugute halten, daß er sich sofort erbot, das Radio zu ersetzen; aber die Tatsache bleibt bestehen, daß er sich als Opfer seiner Neckereien einen wesentlich jüngeren und kleineren Buben aussuchte. Das war nicht fair.«
Er sah Ralph Hotchkiss an, der zustimmend nickte und merken ließ, daß er sprechen wollte. »Sie haben mit dem, was Sie eben sagten, ganz recht. Billy ist noch jung, aber er hätte es trotzdem besser wissen müssen. Ich bedaure, daß ich ihm nicht bessere Manieren beigebracht habe. Ich möchte mich für sein unverzeihliches Benehmen hier, in aller Öffentlichkeit, bei Mr. und Mrs. McGuire und natürlich besonders bei Johnny entschuldigen.«
Tibbs beobachtete verstohlen, welche Wirkung Hotchkiss’ Erklärung auf Mike McGuire hatte. Der stolze Mann aus Tennessee würde ein solch offenherziges Bekenntnis nie über die Lippen gebracht haben; er hätte es für eine Demütigung gehalten. Nun schien ihm jedoch zu dämmern, daß Hotchkiss dadurch eher an Achtung gewonnen hatte, anstatt auch nur ein Krümchen davon einzubüßen. Die Gewohnheiten und Anschauungen eines ganzen Lebens rebellierten in ihm gegen die harte Lektion, die ihm in den letzten vierundzwanzig Stunden erteilt worden war. Es fiel ihm schwer, sich zu einer versöhnlichen Haltung durchzuringen.
Er ließ es sich sauer werden, aber er schaffte es: »Ich bezahle die entzweigegangene Fensterscheibe und alles, was Johnny sonst noch kaputtgemacht hat.«
Ralph Hotchkiss war kein Dummkopf; er begriff ebensogut wie Virgil, wie hart Mike McGuire diese reuigen Worte angekommen waren. Er winkte mit einer weitausholenden Handbewegung ab. »Ich glaube, das wird nicht nötig sein. Die Versicherung hat die Scheibe bereits ersetzt, und der Rest war Kleinkram.«
Mike war erleichtert; er hatte das Richtige getan, ohne daß es ihn einen Pfennig kosten würde. »Ich bin schuld an allem, was Sie durchgemacht haben«, fügte er hinzu. »Es tut Maggie und mir sehr leid.«
Maggie nickte eifrig.
»Wir
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