Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
vor meinen Augen befand. Die ganze Zeit hatte ich mir eingeredet, der Glaube an meine Klugheit würde mir die nötige Kraft geben. Und in Wirklichkeit steckte viel mehr dahinter. In Boston konnte ich mir ein Leben aufbauen, aus dem ich Kraft schöpfte. Aber um richtige Macht zu erlangen, musste ich siegen - ganz egal, wo ich war, ganz egal, welche Hindernisse mir den Weg versperrten.
»In welchem Krankenhaus wurden Sie geboren, Mr. Pender?«
»Nicht schon wieder, Euer Ehren!«, klagte Jack.
»Mit dieser Frage verfolge ich einen bestimmten Zweck, Euer Ehren«, erklärte ich.
»Dann kommen Sie endlich zur Sache«, mahnte der Richter. Aber er schenkte mir immer noch ein schwaches Lächeln.
»Das Krankenhaus, Mr. Pender?«
»Daran erinnere ich mich nicht.«
»Tatsächlich nicht? Nachdem Sie so viel Zeit in San Antonio verbracht haben, müssten Sie eigentlich den Namen der Klinik kennen, in der Sie zur Welt kamen. Aber das spielt keine Rolle.«
Unsicher lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück.
»Haben Sie geschäftlich in Mexiko zu tun?«
»Nein!«
» Doktor Pender?«
»Was?«, stieß er hervor.
Ich holte tief Atem, die Augen des Richters verengten sich. Also hatte ich den Nagel auf den Kopf getroffen - Pender war ein Arzt.
Doch die Freude über meinen Erfolg löste sich in Nichts auf, sobald ich erkannte, was ich meiner Mutter antun würde. Wenn ich dem Gericht mitteilte, was für ein Doktor dieser Kerl war …
Während das Publikum aufgeregt tuschelte, betrachtete ich den Mann mit der rosig glänzenden Olivenhaut, den winzigen Narben rings um die Augen, den aufgepolsterten Falten neben den Mundwinkeln - das erstarrte Gesicht, das sich nicht einmal bewegte, wenn er lachte. Das war das Geheimnis meiner Mutter - deshalb sah sie viel jünger aus, als es ihren Jahren entsprach. Nicht die guten Gene, keine fantastischen Moisturizers, wie sie es stets behauptete. Nicht einmal eine regelmäßige gründliche Reinigung, mit der sie so arrogant prahlte. Stattdessen verhalf ihr dieser kriminelle Arzt zur strahlenden Jugend - mit illegalen menschlichen Wachstumshormonen, Anti-Age-Therapien, Plazenta-Cremes, et cetera. Das alles musste sie auf einmal anwenden. Denn wie sogar ich wusste, kann sich niemand jede Woche Botox spritzen lassen.
Ich drehte mich um und begegnete Ridgelys Blick. In diesem Moment, wo ich nahe daran war, ihre eheliche Treue zu beweisen, konnte ich sie nicht verraten. Ihre ganze Identität beruhte auf ihrer Schönheit, an die sie gar nicht glaubte. Ihr Aussehen war lebenswichtig. Lieber riskierte sie, dass man ihr eine Affäre zutraute und dass sie einen Teil ihres Vermögens verlieren würde, statt
einzugestehen, ihre berühmte Schönheit sei auf künstliche Weise entstanden.
Da saß sie im Gerichtssaal, die Bewohner von Willow Creek hinter sich, unverhohlenes Entsetzen in den Augen.
Ich konnte kaum atmen. In meinem Kopf drehte sich alles. Schwankend kehrte ich zu meinem Tisch zurück und hielt mich daran fest.
»Geht es Ihnen nicht gut, Miss Cushing?«, fragte der Richter.
»Bitte, Euer Ehren«, würgte ich hervor, »ich brauche eine Pause.«
Wahrscheinlich sah ich so elend aus, wie ich mich fühlte, denn er runzelte in echter Besorgnis die Stirn. »Drei ßig Minuten«, entschied er und schlug mit seinem Hammer auf den Tisch.
»Carlisle!«, zischte meine Mutter.
Aber ich antwortete nicht. Ohne mich um meine Akten oder meine Handtasche oder sonst was zu kümmern, verließ ich den Saal durch den hinteren Ausgang. Sobald ich draußen war, begann ich zu laufen. Wohin, wusste ich nicht, weil mein Gehirn nicht funktionierte - abgesehen von der Erkenntnis, wie raffiniert meine Mutter mich wieder einmal manipulierte. Nur noch ein Mal. Leg dieses rote Cape um deine Schultern und bring alles in Ordnung … Natürlich, ich musste beweisen, dass sie keine Affäre hatte, ohne das Geheimnis ihrer Schönheit zu enthüllen. Denn die war so falsch wie die Plastikbäume, die manche Leute zu Weihnachten aufstellten und die sie so sehr verachtete.
Jemand folgte mir. Das merkte ich erst, als mein Arm berührt wurde. Ich fuhr herum und erwartete, meine Mutter zu sehen. Aber ich starrte in Jacks Gesicht.
»Was ist los, Carlisle?«
Das war nicht die Frage des ungeduldigen, gnadenlosen gegnerischen Anwalts, der mich nicht mochte, sondern die Fürsorge des Jacks, den ich vor Jahren gekannt hatte. Der gefährliche Mann mit der düsteren Miene existierte nicht mehr. Aus Gründen, die ich nicht verstand,
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