Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
gestand: »Okay, ich habe es in Indias Spind in der Schule gefunden.«
Beinahe quollen Morgans Augen aus den Höhlen. »Unfassbar! Also warst du die Oma, die sich im Schulflur herumgetrieben hat? O Mom!«
Janice wirkte eher beklommen als glücklich.
Doch dann rannte Morgan durch die Küche und warf beide Arme um ihre Mutter. »Mom, du bist super!«
Am Abend wurde die heitere Stimmung empfindlich gestört, denn Hunter Blair stand unangemeldet vor unserer Tür. Zum ersten Mal in meinem Leben erkannte ich die Vorzüge einer eingezäunten Luxussiedlung.
»Was zum Teufel ist da los?«, bellte er.
Er war ziemlich mies gelaunt. Seltsamerweise wusste ich nicht, warum. Man sollte meinen, er wollte seine Tochter schützen. Aber er schien eher zornig auf sie zu sein.
»Keine Ahnung, wovon Sie reden«, erwiderte meine Mutter. »Und ich ersuche Sie, in meiner Gegenwart Ihre Stimme zu senken, Sir.«
Zu meiner Verblüffung besaß der raubeinige Ölbonze immerhin genug Anstand, um verlegen dreinzuschauen. »Als ich vorhin nach Hause kam«, fuhr er in gemäßigtem Ton fort, »heulte India, jemand hätte das Ballkleid gestohlen.«
Hinter Mr. Blair trat die ansonsten so aggressive India unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Wirklich, Daddy, ich sagte doch, es ist nicht so wichtig. Vergiss es.«
»Welches Kleid?«, fragte meine Mutter.
»Indias Debütantinnenkleid«, antwortete Hunter.
»Meinen Sie das Kleid, das Sie laut Ihrer Tochter in New York gekauft haben?«, erkundigte ich mich.
»Ja, genau das.«
»Wirklich, Daddy, vergiss es. Sollen sie’s doch behalten.«
»Hör mal, junge Dame, das Geld wächst nicht auf den Bäumen. Dieses Kleid hat mich ein Vermögen gekostet, und ich werde es von niemandem stehlen lassen.« Zu meiner Mutter gewandt, fügte er hinzu: »Ich bin hier, um das Kleid zurückzuverlangen, das in der Schule aus dem Spind meiner Tochter entwendet wurde.«
»Was das alles bedeutet, weiß ich nicht.« Ridgely musterte uns alle der Reihe nach. »Nur eins weiß ich: Wir besitzen ein Ballkleid, für das wir eine Quittung vorlegen können. Würdest du’s bitte holen, Morgan?«
In Indias Augen flackerte unverhohlene Angst. Vermutlich
hatte sie ihren Vater vollgejammert, bevor ihr bewusst geworden war, worüber sie sich beschwerte. Und jetzt sah sie keinen rettenden Ausweg.
Morgan kam mit dem Kleid zurück.
»Haben Sie dieses Ballkleid gekauft, Mr. Blair?«, fragte meine Mutter.
Wahrscheinlich konnte der Mann keinen Unterschied zwischen diesem oder jenem Kleid feststellen, aber soviel ich wusste, war Indias Ballkleid mit Perlen bestickt. An Morgans Kleid funkelte keine einzige Perle.
»Nein, India, dieses Kleid habe ich dir nicht gekauft.« Sein zerfurchtes Gesicht rötete sich.
»Wenn Sie den Schrank Ihrer Tochter öffnen, werden Sie das Kleid aus New York zweifellos finden, Sir«, schlug Ridgely vor.
Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, wandte er sich an India. »Sind die Ladys neulich zu uns gekommen, um dieses Kleid zu suchen?«
»Das kann ich dir erklären, Daddy.«
»O ja, genau das wirst du tun.« Energisch packte er ihren Arm, wünschte uns eine gute Nacht und zerrte seine unglückliche Tochter davon. Wenn sie auch eine Strafe für ihre zahlreichen Missetaten verdiente - da sie’s mit einem Vater wie Hunter Blair zu tun hatte, wollte ich nicht in ihrer Haut stecken.
Während Ridgely die Haustür schloss, standen Janice, Morgan und ich wie Kinder da, die eine Lektion erwarteten. Savannah lächelte amüsiert.
»Glaubt ihr etwa, ich wüsste nicht in allen Einzelheiten, was unter meinem Dach vorgeht?« Meine Mutter glättete
ihr Haar und fügte in sanftem Ton hinzu: »Allmählich wird es Zeit fürs Abendessen.«
Statt den anderen in den Speiseraum zu folgen, lief ich zur Haustür hinaus.
India wollte gerade ins Auto ihres Vaters klettern, aber ich hielt sie zurück.
»Was zum Teufel wollen Sie denn jetzt noch, Miss Cushing?«, fragte Hunter ungehalten.
»Bitte, Mr. Blair, ich möchte nur ganz kurz mit Ihrer Tochter reden.«
Indias Blick schien mich zu durchbohren. Aber sie wehrte sich nicht, als ich sie beiseiteführte.
»Es geht mich nichts an«, begann ich, »aber …«
Meine Gehirnwindungen erstarrten. Worauf um alles in der Welt ließ ich mich denn da ein? Wenigstens hatte ich die Gründe für die Bosheit des Mädchens erkannt, da war ich mir völlig sicher.
»Hören Sie mir zu, India … Obwohl Sie ständig diese furchtbaren Dinge tun, nehme ich an, sie sind in
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