Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
wie ich bereits sagte, meine aktuellen Notizen nur in der Papierausgabe.«
»Du hast Sicherungskopien gemacht?«, fragte William, dann schob er mit einem weisen Nicken hinzu: »Sehr schön.«
Sebastian lächelte ihn an. »Ja, eine ganze Reihe. Das Original befindet sich in einer Sammlung seltener Bücher in Budapest.«
»Clever.« William nickte abermals.
»Nicht unbedingt«, warf ich bissig ein, denn es schmerzte mich, dass Sebastian Parrish ständig disste. »Irgendwie muss der Vatikan ja auf dich aufmerksam geworden sein.«
»Du meinst, außer durch meinen Sohn?«
»Ja«, entgegnete ich. »Wie einfach es auch wäre, Mátyás die ganze Schuld zuzuschieben, so bezweifle ich doch sehr, dass der Vatikan nur auf die Aussage eines Dhampirs hin mit solchem Aufwand Jagd auf dich macht.«
»Warum nicht?«, gab Sebastian zurück.
»Was ist ein Dhampir?«, fragte William.
»Weil«, fuhr ich in dem Bemühen fort, beide Fragen auf einmal zu beantworten, »Mátyás ein magisches Wesen ist. In seinen Adern fließt Vampirblut. Die Kongregation arbeitet möglicherweise mit ihm zusammen, Sebastian, aber sie treiben falsches Spiel mit ihm. Sobald sie haben, was sie wollen, ist er tot.«
»Der Vatikan legt doch keinen derart versierten Vampirjäger um«, widersprach Sebastian schulterzuckend. »Er ist immerhin der Einzige seiner Art.«
»Wozu brauchen sie einen Vampirjäger, Sebastian? Sie machen Jagd auf Hexen. Und jetzt wollen sie mithilfe deiner Rezeptur eine ganze Armee gottesfürchtiger Vampire aufbauen. Da wollen sie sicherlich niemanden in ihrem Verein haben, der fähig ist, diese Vampire zu vernichten. Mátyás ist geliefert!«
Sebastian nahm einen Schluck aus seiner Tasse und verzog das Gesicht. Ich war nicht sicher, ob er damit seine Meinung über den Kaffee oder meine Äußerung zum Ausdruck brachte. »Scheiße.«
»In der Tat«, pflichtete ich ihm bei.
Wir verfielen in Schweigen, und jeder hing seinen Gedanken nach. Ich warf einen sehnsüchtigen Blick zur Theke und wünschte, ich könnte noch etwas bestellen. Für einen starken Kaffee hätte ich glatt einen Mord begangen. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass uns wieder eine lange Nacht bevorstand.
»Bist du … du scheinst ja schon verdammt alt zu sein«, sagte William. Was eigentlich eine ziemliche Beleidigung war, klang aus seinem Mund wie ein riesiges Kompliment.
»Sehr alt«, bestätigte Sebastian nickend und sah William tief in die Augen. Er hatte einen Arm auf die Sofalehne gelegt, und seine Fingerspitzen berührten Williams Schulter. William wiederum saß Sebastian zugewandt da, wie ein Lover, und schien seine Nähe zu genießen.
»Stimmt es denn, was man so hört? Dass der Biss umso besser kommt, je älter ein Vampir ist?«
»Oh ja, absolut«, entgegnete Sebastian lächelnd. Und als sich ihre Blicke kreuzten, war wieder diese Intimität da. Sebastians Hand lag nun ganz unverhohlen auf Williams Schulter, und er fuhr mit dem Daumen an seinem Hals entlang.
»Wow!«, hauchte William.
»Ja.« Sebastian war katzengleich und unauffällig immer dichter an William herangerückt. Ihre Knie berührten sich. Er baggerte meinen Freund ziemlich offensiv an. Direkt vor meiner Nase! Ich wusste ja, dass Sebastian Hunger hatte, aber konnte er nicht warten, bis sie allein waren, bevor er versuchte, bei meinem Kumpel einen Treffer zu landen?
»Hallo! Auseinander, ihr beiden!«, rief ich. »Wir müssen das Grimoire zurückholen!«
William blinzelte, als hätte er unter einem Bann gestanden. »Ach ja, natürlich! Dann kommt mal mit! Ich kenne die Kneipe, die der Goth-Typ genannt hat. Sie ist nicht weit von hier entfernt.«
Da die gesamte State Street eine Fußgängerzone war, in der nur Busse fahren durften, beschlossen wir, zu Fuß zu gehen. Es waren jede Menge Leute unterwegs, dem Aussehen nach überwiegend Touristen und Studenten. Wir mussten uns regelrecht durch die Menschentrauben hindurchboxen, die sich vor den Eingängen der diversen Lokale gebildet hatten.
Sonderbarerweise sah man, wenn man einen Block weiter schaute – egal, in welche Richtung –, nur noch leere Straßen. Die Leute kamen anscheinend nach Madison, um sich die State Street anzuschauen und sonst gar nichts.
Ich suchte die Massen, die an uns vorbeiströmten, nach Parrish ab. Ich hatte ihn den Jungs zwar beschrieben, aber als ich von seiner Löwenmähne gesprochen hatte, hatten sie mich nur verblüfft angesehen und sich offenbar nichts darunter vorstellen können, also bestand keine große
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