Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
streckte die Beine in Richtung Kamin aus.
Feuer war offenbar auch keine Gefahr für ihn. Viele Vampire machten einen großen Bogen um offene Flammen. Sie neigten regelrecht zu Paranoia – als wären ihre Körper leichter entzündbar als die der Lebenden.
Sebastians Aussage warf allerdings die Frage auf: Wer oder was sonst stellte eine Gefahr für ihn dar?
Bevor ich nachfragen konnte, seufzte Sebastian. »Zumindest war sie es ein ganzes Millennium lang nicht.«
Ein Millennium lang? Also tausend Jahre? Ich sah mir Sebastian genauer an. War er wirklich so alt? Komischerweise machte ihn das nur noch sexier. Langlebigkeit zeugte bei einem Vampir von einem stark ausgeprägten Überlebensinstinkt, von einem testosterongesteuerten Leben nach dem Motto »Fressen oder gefressen werden«, was ich peinlicherweise ziemlich ansprechend fand.
Aber gut, das war jetzt nebensächlich. Vampire verschrumpelten nun mal in der Sonne wie Plastik im Lagerfeuer. »Wie kommt es, dass Sie anders sind als die anderen?«
»Was meinen Sie?«
Ich bedachte ihn mit einem »Sind Sie wirklich so blöd?«-Blick.
»Bin ich, na und?«, gab er mir wiederum mit seinem Mienenspiel zu verstehen.
»Die Vampire, die ich bisher kennengelernt habe, vertragen alle keine Sonne, Sebastian.«
»Sie kennen noch andere?«
Okay, ich war mal mit einem zusammen. Es war ein riesengroßer Fehler gewesen, und wenn ich es recht bedenke, wahrscheinlich während einer extrem selbstzerstörerischen Phase meines Lebens. Parrish war jedoch ein guter Liebhaber gewesen und, wie sich herausgestellt hatte, auch jemand, auf den ich mich im Notfall verlassen konnte. Wichtiger war allerdings, dass er mir sehr viel über Vampire beigebracht hatte, wovon, wie ich an dieser Stelle gern festhalten möchte, nicht alles mit Fleischeslust zu tun hatte.
Nach der Trennung von Parrish hatte ich plötzlich überall Vampire gesehen. Und sie wurden auf mich aufmerksam. Nachdem ich ihrer einmal gewahr geworden war, schien ich sie anzuziehen wie ein Magnet. Ich konnte also auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Gut, insgesamt hatte ich nicht mehr als ungefähr ein halbes Dutzend Sichtungen, ein bis zwei ausführliche Gespräche und eine intime Beziehung vorzuweisen, aber ich hielt mich dennoch für ziemlich gut informiert, was die Vampirgemeinde anging. Die meisten Leute wussten ja nicht einmal, dass es Vampire gab.
»Ja, ein paar.«
Sebastian wollte gerade etwas sagen, als aus der Küche auf einmal Lärm zu hören war. Glas splitterte, ein Topf knallte auf den Boden, dann noch einer.
Jedes Geräusch ließ mich zusammenfahren. Ich zog die Decke fester an mich und rief: »Wollen Sie nicht nachsehen?«
»Mein Poltergeist hat einen Wutanfall«, entgegnete er gelassen.
»Benjamin«, sagte ich und erinnerte mich daran, wie er auf Sebastians Geheiß verschwunden war. »Er ist ein Geist?«
»Ein Poltergeist, wie ich gerade sagte. Das ist ein Unterschied. Er ist etwas stofflicher als ein normaler Geist. Deshalb kann er überhaupt herumpoltern, wenn er wütend ist. Ich habe ihn zusammen mit dem Haus bekommen«, erklärte Sebastian mit einem abschätzigen Schulterzucken, als spräche er über das Wetter. »Ich muss sagen, er hat für mich den Wert der Immobilie enorm gesteigert.«
Bei dem Wort »Immobilie« fiel mir schlagartig ein, warum ich eigentlich gekommen war. »Der Vatikan ist hinter Ihnen her, Sebastian!«
Silberbesteck prasselte auf den Boden. Dann ertönte ein dumpfer Schlag, als werfe jemand eine Schublade weg.
Sebastian sprang verärgert auf. »Jetzt reicht es!«, sagte er und marschierte an mir vorbei zur Küchentür. »Raus, Benjamin! Sofort!«
Es gab einen letzten trotzigen Rums, dann hörte ich, wie eine Tür geöffnet und zugeknallt wurde.
»Tut mir leid. Um Vollmond herum ist er immer so. Ich nehme an, es ist in einer Vollmondnacht passiert«, sagte Sebastian, als er zu mir zurückkehrte.
Es ? Wollte ich überhaupt Genaueres wissen? Der Typ war jetzt ein Geist, ein ziemlich mordlüsterner, wie ich hinzufügen möchte, also war die Sache nicht gut ausgegangen. Das genügte mir eigentlich, und ich hatte keine Lust, das Thema zu vertiefen.
Sebastian hockte sich vor den Kamin und stocherte mit einem Schürhaken in der Glut. »Was haben Sie gerade gesagt?«
»Die Kongregation!«, entgegnete ich. »Die sind hinter Ihnen her!« Da er das Kamingitter geöffnet hatte, strömte die Hitze des Feuers ungehindert in den Raum. Meine Haut war immer noch feucht, und die
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