Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
doch meinen, dass es die größere Sünde ist, eine wandelnde Leiche zu sein.«
»Es hat wohl mit der Bibel zu tun«, entgegnete ich schulterzuckend. »Vampire werden darin nicht erwähnt, Hexen schon.«
»Sie meinen das mit der Hexe, die man nicht am Leben lassen soll?«, fragte er.
Ich nickte.
»Das ist nur eine schlechte Übersetzung. Im hebräischen Originaltext heißt es eigentlich: ›Du sollst einer Hexe nicht helfen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.‹ Oder auch: ›Gib der Wahrsagerin kein Geld.‹«
Jemand anders hatte mir einmal erzählt, dass ursprünglich von »Giftmischerin« die Rede gewesen war und das Wort im Lauf der Zeit verändert worden war. Aber das spielte jetzt wohl kaum eine Rolle. »Erklären Sie das den Mördern, wenn sie kommen«, sagte ich und verzog das Gesicht. »Sie lassen sich bestimmt gern auf eine kleine semantische Debatte ein, bevor sie Sie auseinandernehmen.«
»Sie? Plural? Haben Sie nicht gesagt, es sei nur eine Agentin hier?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wo eine ist, sind auch noch mehr.«
Sebastian nahm nachdenklich einen Schluck von seinem Kakao, dann fragte er: »Aber wozu gibt es die Eustachius-Kongregation überhaupt? Der Vatikan hatte doch in der Inquisition eine ziemlich effiziente Hexenjägertruppe.«
»Eustachius ist die Inquisition, wenn Sie mich fragen. Offiziell natürlich nicht, aber als die Inquisition in Ungnade fiel, hat die neu gegründete Kongregation die Geschäfte im Geheimen weitergeführt. Ich glaube, die Inquisition geriet in Schwierigkeiten, weil sie niemals einen Fall von echter Magie aufdecken konnte. Die Eustachius-Kongregation hingegen schon.«
Sebastian nickte. »Und was ist das Ziel der Kongregation?«, fragte er und stellte seine Tasse ab. Ich beobachtete das Spiel seiner Muskeln im Schein des Feuers. »Die völlige Vernichtung aller Hexen und Hexer? Oder wollen sie uns nur in Schach halten und kontrollieren?«
Ich trank von meinem Kakao und dachte einen Moment nach. Es war nun nicht so, als hätte die Kongregation irgendwann einmal eine Absichtserklärung veröffentlicht, aber in der Hexengemeinde wurde natürlich geredet und spekuliert und so manche Verschwörungstheorie entwickelt. »Darüber wird viel diskutiert«, entgegnete ich. »Die allgemeine Meinung ist, dass es um Eliminierung geht, aber in welchem Ausmaß, scheint keiner zu wissen.«
Sebastian beugte sich vor. Je intensiver das Gespräch wurde, desto deutlicher wurde seine Körpersprache. »Sie haben doch gesagt, diese Leute halten sich an das, was in der Bibel steht. Und das ist ziemlich eindeutig, nicht wahr? Da gibt es nicht viel Handlungsspielraum.«
»Nun, das würde ich ja auch sagen, aber der Vatikan beschäftigt tatsächlich Hexen.«
»Wirklich?«
»Es geht das Gerücht«, sagte ich schulterzuckend. »Man will Magie mit Magie bekämpfen, vermute ich.«
»Aha«, machte er mit einem verschmitzten Lächeln, bei dem die Spitzen seiner Eckzähne aufblitzten. »Dann hätten sie mich also rekrutieren sollen, statt mich zu exkommunizieren!«
Die Vorstellung, Sebastian könnte für die andere Seite kämpfen, ließ mich erschaudern. Er strahlte eine ungeheure magische Energie aus. »Göttin bewahre!«, rief ich.
Er lachte. »So furchterregend bin ich ja nun nicht!«
»Klar, es gibt jede Menge Leute, die eine Begegnung mit Lilith überlebt haben«, sagte ich sarkastisch. »Ich bitte Sie!«
Sebastian sah mir in die Augen. Die bernsteinfarbenen Sprenkel um seine Pupillen funkelten im Schein des Kaminfeuers. Sein Blick war glühend und wahnsinnig sexy.
Keiner von uns sagte etwas. Meine Gedanken kreisten um das Thema, was ich alles mit Sebastian machen würde, wenn nichts anderes mehr zwischen uns wäre als die Leidenschaft, die aus seinem Blick sprach, und ich sah als Erste weg. »Was meinen Sie, Sebastian – weiß der Vatikan überhaupt, dass Sie ein Vampir sind? Wegen der Bergsteigerei und Ihres Werkstattjobs ist man dort vielleicht zu demselben Schluss gelangt wie ich.«
»Oh, und der wäre?«
»Nun, zuerst dachte ich, Sie wären eine andere Art von wandelnder Leiche.«
Er lachte. »Wie nett!«
Ich sah ihn streng an. »Sie sind eine wandelnde Leiche, Sebastian.«
»Eine wiederbelebte, um genau zu sein, aber … Nun ja, ich hatte gehofft, einen besseren ersten Eindruck zu machen.« Er lächelte mich an. »Was hat mich verraten?«
»Sie haben keine Aura«, entgegnete ich und erwiderte sein Lächeln, das so verflucht ansteckend war. »Deshalb dachte ich
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