Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
Dann nahm ich mir eine dunkelgrüne Trainingshose aus der unteren Schublade der Kommode, die Sebastian günstigerweise offen gelassen hatte. Bei meiner schnellen Inspektion seines Zimmers fielen mir ein paar interessante Dinge auf: Der Mann besaß einen Frack und ein Schmuckkästchen. Ich grinste. Es steckte also doch ein kleines bisschen von einem klassischen Vampir in ihm.
Als ich wieder nach unten kam, saß sein Sohn auf der Armlehne der Couch. Er hatte das Bettzeug weggeräumt. Ich versuchte, nicht an Sebastians heißen, nackten Körper zu denken, wurde aber rot, als ich an Sonnyboy vorbeimarschierte, um mir meine Stiefel zu holen, die neben dem Kamin standen.
»Na, das ist ja ein Look!«, sagte er und begutachtete meinen Hintern.
»Ach, sei still!«, fuhr ich ihn an.
»Deine schlagfertigen Antworten verletzen mich wirklich zutiefst«, entgegnete er.
Ich ließ mich auf die Couch plumpsen und zog meine Stiefel an. Dann wackelte ich prüfend mit den Zehen. Das Leder war innen nur noch ein bisschen feucht, ganz okay also. Das musste genügen.
Sebastians Sohn schüttelte ungläubig den Kopf. »Weshalb befolge ich eigentlich die Befehle von Daddys neuestem Liebesknochen?«
Ich schluckte meinen Ärger mühsam hinunter und stieß mit zusammengebissenen Zähnen hervor: »Vielleicht weil jemand deinen Erzeuger umbringen will, du Blödmann?«
»Meinen Erzeuger?« Er grinste spöttisch. Dann legte er lässig einen Arm auf die Rückenlehne der Couch und beugte sich zu mir vor, während ich noch mit den feuchten Verschlüssen meiner Stiefel rang. »Mädel …«, sagte er gedehnt. »Es ist vielleicht deiner Aufmerksamkeit entgangen, aber mein Vater kann ganz gut selbst auf sich aufpassen. Er ist nicht gerade leicht umzubringen.«
»Was weißt du schon darüber?«
»Dhampire machen normalerweise Jagd auf Vampire.«
Ich versuchte, meine Verwirrung zu verbergen, indem ich mich stirnrunzelnd mit einem besonders störrischen Riemen beschäftigte.
»Du hast keine Ahnung, was das ist, nicht wahr?« Er fasste sich mit gespielter Betroffenheit an die Brust. »Er hat … Du weißt aber doch wenigstens, was mein Vater ist, oder?«
Er beendete den Satz wieder mit diesem aufreizenden selbstgefälligen Kichern.
»Natürlich weiß ich, was er ist!«, fuhr ich auf. Nur was du für einer bist, weiß ich nicht, dachte ich. Als er Sebastian als seinen Vater bezeichnet hatte, war ich davon ausgegangen, er wäre sein Schöpfer oder Herr oder wie auch immer Vampire heutzutage denjenigen nannten, der sie verwandelt hatte. Dank Sebastian hatte ich mich ja schon an die Vorstellung gewöhnt, dass Vampire durchaus am helllichten Tag herumliefen.
Aber Sonnyboy war gar kein Vampir? Was zum Teufel war denn bitte ein Dhampir? Ich hatte den Verdacht, dass es sich möglicherweise um den biologischen Sohn eines Vampirs handelte, aber das half mir auch nicht viel weiter.
Ich unterzog Sonnyboy rasch einer magischen Überprüfung. Seine deutlich sichtbare Aura leuchtete in einem sonderbaren Grüngold, ähnlich wie seine Augen. Als ich noch etwas genauer hinsah, entdeckte ich ein silbriges Glitzern. Eine derart aktive Aura deutete in der Regel auf Magie hin, was vermutlich mit dieser Dhampir-Geschichte zu tun hatte. Die Tatsache, dass er überhaupt eine Aura besaß, bedeutete, dass er ein äußerst lebendiges Herz hatte – auch wenn man das bei seinem Benehmen kaum glauben konnte.
Ich fragte mich, ob er älter war, als er aussah. Es musste so sein, wenn Sebastian so alt war, wie er behauptet hatte. Vampire konnten schließlich keine Kinder zeugen, wenn sie einmal tot waren, oder? Ich hatte jedenfalls noch nie davon gehört.
Vielleicht log der Bengel ja auch. Sebastian hatte ziemlich merkwürdig reagiert, als ich beim Handlesen gesagt hatte, er werde nie Kinder haben. Andererseits, dachte ich und sah Sonnyboy scharf an, würde ich es auch leugnen, wenn dieser Blödmann mein einziger Nachkomme wäre.
Als plötzlich die Haustür aufging, sah ich ruckartig auf. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung kam Sebastian herein, mit Lebensmitteln beladen. Er lächelte, als er mich sah, aber dann bemerkte er Sonnyboy, und seine Miene verfinsterte sich. Seine Lippen zuckten, als wollte er etwas sagen, doch er würdigte den Jungen keines Blickes. Zu mir sagte er: »Ich habe ein bisschen eingekauft.«
»Göttin sei Dank geht es dir gut!«, rief ich und sprang auf.
»Deine neue Freundin hat geglaubt, du wärst in Lebensgefahr, Papa. Wir haben uns beide
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