Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
sagte ich.
»Meinst du nicht, es war vielleicht nur Zufall? Ein Irrläufer? Ein Schuss aus einem vorbeifahrenden Auto?«
»Aus der kleinen Gasse hinter dem Haus? Noch dazu nach oben in den ersten Stock?«
»Oh«, machte Sebastian. »Das ist nicht sehr wahrscheinlich.«
Dass bislang noch niemand die Wohnung gestürmt hatte, um mich zu erledigen, machte mich allerdings etwas stutzig. Ich meine, die »Immobilienmaklerin« hatte mich glauben gemacht, sie sei hinter Sebastian her, nicht hinter mir. Wenn der Schütze in der Nähe des Hauses gewesen war, musste er Sebastian gesehen haben. Es wäre die perfekte Gelegenheit, uns beide zu töten. Vielleicht warteten sie auf den richtigen Moment, darauf, dass wir aus der Deckung kamen und gemeinsam das Haus verließen. »Du musst hierbleiben«, sagte ich. »Wir können hier nicht weg.«
»Dann lautet die Antwort also Nein?«
»Die Antwort worauf?«
»Auf die Frage, ob es vielleicht Zufall war.« Als ich Sebastian nur zornig ansah, versuchte er, mich zu überzeugen. »Du weißt natürlich viel mehr über diese Leute als ich, aber glaubst du wirklich, sie erschießen dich einfach so aus der Ferne? Das passt doch gar nicht zu ihnen, oder?«
»Worauf willst du hinaus?«
»Meinst du nicht, es ist ein bisschen hinterhältig, jemanden aus einer derartigen Distanz zu erschießen? Man würde doch meinen, die Kirche erwartet von ihren Vollstreckern, dass sie nah rangehen und versuchen, die Seelen der Sünder zu retten, oder dass sie den Angeklagten zumindest in die Augen sehen.«
»Sie geben den Leuten keine Gelegenheit, ihre Sünden zu bereuen, Sebastian. Diejenigen, auf die sie Jagd machen, wurden bereits gerichtet und verurteilt.«
»Das ist nicht besonders fair«, bemerkte er stirnrunzelnd.
»Was du nicht sagst!«
Ich sah ihn grimmig an und wartete darauf, dass ihm der Ernst der Lage endlich klar wurde. Doch er musterte nur die Decken, die Parrish an die Fenster getackert hatte, und sagte: »Hübsche Bude.«
»Am besten gewöhnst du dich dran! Es war mein voller Ernst, als ich sagte, dass wir hier nicht wegkönnen.«
»Nun«, entgegnete er, stand auf und strich seine Jeans glatt. »Wenn die Kongregation tatsächlich einen Heckenschützen da draußen hat, kann er uns hier nicht sehen. Wir könnten uns wenigstens zusammen auf die Couch setzen und einen Film gucken oder so. Und eine Pizza bestellen. Auf meine Rechnung.«
»Du scheinst ja keine große Angst vor ihnen zu haben.«
»Nach dem, was du mir erzählt hast, sind sie richtige Feiglinge.«
Mein Zorn flammte wieder auf. »Diese ›Feiglinge‹, wie du sie nennst, haben meine Freundinnen abgeschlachtet!«
Sebastian sah mich mitfühlend an. »Eben. Ich nehme an, deine Freundinnen waren ganz normale Frauen und keine Soldatinnen oder so. Hatten sie irgendwelche Waffen?«
»Ritualdolche«, entgegnete ich, aber Sebastian hatte wirklich recht; mein Zirkel war von dem Angriff überrascht worden. Die Frauen waren völlig wehrlos gewesen.
»Und die Jäger des Vatikans sind schwer bewaffnet.«
Ich nickte. Ich hatte Pistolen und sogar Gewehre bei ihren Leichen gefunden. Und sie hatten ein ganzes Arsenal von Stich- und Hiebwaffen bei sich gehabt, von Schwertern bis hin zu Stiletten.
»Feiglinge!«, wiederholte Sebastian verächtlich, ließ sich auf die Couch plumpsen und schaute sich in meinem Wohnzimmer um, in dem es außer Schlackensteinwänden, Holzboden und Bücherregalen nicht viel zu sehen gab. »Wo ist dein Fernseher?«
»Ich habe keinen«, erklärte ich etwas verlegen. Es war keine politische, sondern eher eine ökonomische Entscheidung, aber ich ließ die Leute meistens in dem Glauben, dass es einfach zu meinem alternativen Lebensstil als vegetarische Hexe gehörte, keinen Glotzkasten zu besitzen.
»Okay, dann wird also nichts aus dem Film. Hast du trotzdem Lust auf eine Pizza?«
»Ich kann doch nichts essen, wenn da draußen jemand auf der Lauer liegt!«
Sebastian sah mir lange und durchdringend in die Augen. Dann sagte er sehr bedächtig und ernsthaft: »Natürlich kannst du das, Garnet. Du bist stärker als die gesamte Kongregation, und das weißt du auch. Du solltest es jedenfalls wissen. Lilith ist eine Göttin.«
»Kugeln kann SIE aber nicht aufhalten.«
»Bist du sicher? Ich habe gesehen, wie SIE Benjamins Messer abgewehrt hat.«
»Nun, nicht so sicher, dass ich mein Leben darauf verwetten würde«, entgegnete ich mit einem grimmigen Lachen. »Aber«, fügte ich hinzu, »Lilith und ich verfolgen
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