Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
Information half mir allerdings auch nicht weiter. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wenn ich Sebastian zur Seite stieß, verlor Feather nur noch mehr Blut, und abbinden konnte ich ihr den Hals sowieso nicht. Mich beschlich das ungute Gefühl, dass Feather sterben würde und ich nichts tun konnte, um sie zu retten.
William stand am Bücherregal und fummelte an der kleinen gusseisernen Kali-Statue herum, die ich im vergangenen Monat bei einer Wohnungsauflösung erstanden hatte. Er war fertig mit den Nerven.
Als ich die Verzweiflung in seinen Augen sah, kam mir eine Idee. Damals, in besagter Nacht, hatte ich Kraft zum Kämpfen gebraucht und, ohne es zu wollen, eine Göttin der Zerstörung herbeigerufen – dann konnte ich nun auch eine heilende Göttin rufen, die mir half. Ich schloss die Augen und erinnerte mich. Die Situation war ganz ähnlich gewesen. Vatikan-Agenten und Blut. Keine Zeit zum Nachdenken. In meiner Verzweiflung hatte ich mich an niemand Bestimmtes gewandt, sondern einfach nur um Hilfe gebeten, irgendwo.
Alles ringsum versank in Nebel. Die Zeit blieb stehen. Die Münze in meiner Hosentasche war glühend heiß. Ich streckte im Geist meine Hand aus und wiederholte, was ich in jener Halloween-Nacht gerufen hatte, nur dass ich diesmal sagte: » Strahlende Göttin, hilf mir!«
Jemand ergriff meine Hand.
Ich spürte etwas … jemandes Gegenwart und das Gewicht eines schweren Harnischs auf meinen Schultern. Ich hörte Schlangen zischen … vielleicht die Orakelschlangen der Ägis? Dann war es wieder weg.
Und mein Mund sagte mit Liliths Stimme: »Hör auf, mein Sohn.«
Sebastian sah zu mir auf, ohne die Lippen von Feathers Hals zu lösen. Meine Finger fuhren wie ferngesteuert ihre Drosselvene entlang und legten sich einfach auf die pulsierende, blutige Wunde. Sebastian schaute überrascht auf sie hinunter. Er fragte sich sicherlich genau wie ich, wie es sein konnte, dass ihn meine Hand um den Rest seiner warmen Mahlzeit brachte. Er knurrte mich an, und aus seinen zusammengekniffenen Augen sprach unverhohlener Hass.
Ich dachte schon, er würde sich auf mich stürzen, doch im nächsten Moment war er auch schon zur Tür hinaus. Er verschwand so schnell, wie es nur Untote können. William ließ die kleine Statue fallen und plumpste auf den Boden.
»Ist sie tot?«, krächzte Izzy, die neben Feather unter dem Fenster kauerte.
Meine Hand, mit der ich die Wunde zudrückte, kribbelte, als wäre sie mir eingeschlafen. Lilith antwortete für mich: »Das lasse ich nicht zu.«
Feathers Augenlider flatterten, und ihre Haut fühlte sich warm an – so warm, wie es bei einem derart hohen Blutverlust eigentlich gar nicht möglich war.
»Kann ich jetzt einen Rettungswagen rufen?«, wollte William leise wissen.
Izzy hatte bereits zum Telefon gegriffen. »Aber was sagen wir denen?«, fragte sie, während sie die Nummer eintippte.
»Gar nichts«, entschied Feather mit überraschend kräftiger Stimme. Ich hätte nicht gedacht, dass ihre Stimmbänder nach diesem heftigen Biss noch funktionierten. »Mir geht es gut.«
»Und wie!«, sagte Izzy, legte ihr Handy aber trotzdem weg.
»Ich könnte allerdings ein Glas Orangensaft gebrauchen«, bemerkte Feather.
Ich spürte, wie ich rot wurde, weil ich daran denken musste, wie Sebastian mir morgens Orangensaft zu trinken gegeben hatte. War das etwa eine Art Ritual für die zur Ader Gelassenen?
Aber wie auch immer, keiner von uns rührte sich, um ihr ein Glas zu holen.
Ich drückte weiter die Bisswunde zu, obwohl der Teil von mir, der Lilith war, wusste, dass die Gefahr inzwischen gebannt war und Feather nicht mehr verbluten konnte.
Sie sah ziemlich blass aus in dem gedämpften Licht der Stehlampe, die nun ganz einsam in der Ecke stand, nur von Staubflocken umgeben. Die Couch lehnte immer noch hochkant an der Wand, so, wie die Vatikan-Agenten sie zurückgelassen hatten. Da Parrishs provisorische Vorhänge das Mondlicht nicht durchließen, wirkte der Raum unangenehm eng und düster.
William saß mit gesenktem Kopf auf dem Boden, seine Hände ruhten schlaff zwischen seinen ausgestreckten Beinen. Ich fürchtete, dass er jeden Moment hyperventilierte, bis er plötzlich einen lauten Seufzer ausstieß. »Dann gibt es Vampire also wirklich, hm?«
Ich nickte stumm. Was sollte ich auch sagen? Er hatte es selbst gesehen. Verdammt, der Beweis hatte sich regelrecht über uns ergossen, klebte an den Wänden und versickerte langsam in den Ritzen des Dielenbodens.
William starrte
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