Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
musste schrecklich sein, der Göttin des Bösen in die Augen zu sehen. Aber ehrlich gesagt überraschte es mich, dass sie zum Erschrecken überhaupt noch Zeit hatte. Lilith hätte die Gelegenheit nutzen können, um mich hinauszuwerfen, wie sie es in Sebastians Arbeitszimmer getan hatte. Aber vielleicht hatte sich die Konstellation, die Lilith so viel Macht über mich verlieh, inzwischen schon wieder ein wenig verschoben. Oder mein Schutzzauber gegen Lilith funktionierte besser als erwartet.
Doch wenn dem tatsächlich so war, dann hatte ich Lilith absichtlich an die Oberfläche geholt, damit SIE dieser Frau etwas antat.
Das beunruhigte mich.
Genau wie der besorgte Ausdruck in den Augen der Agentin, als sie gesehen hatte, wie ich mich vor Schmerz gekrümmt hatte. Freundlichkeit erwartete ich von diesen Leuten nicht. Ganz und gar nicht.
Ich richtete mich auf. »Wie heißen Sie?«
»Rosa.«
Ein netter, hübscher Name für eine Killerin. Warum hatte ich sie überhaupt danach gefragt? Ich wollte ihren Namen gar nicht wissen, zumal Lilith vorhatte, ihre Leiche in einer Kiste neben dem Trockeneis-Kühlaggregat zu verstauen, bis ich eine Möglichkeit gefunden hatte, sie loszuwerden.
Rosa. Der Name erinnerte mich an die ungewöhnliche Leidenschaft meines Vaters für zarte, edle Teerosen in den Farben Zitronengelb, Lachs und Schneeweiß. Unwillkürlich fragte ich mich, wer ihre Eltern waren und warum sie ihr diesen Namen gegeben hatten.
Behalt die Pistole im Auge, Garnet! Diese Frau ist eine ausgebildete Mörderin. Wen interessiert es schon, ob sie irgendwo Familie hat? Die Leute, die sie getötet hat, hatten auch Familien, genau wie meine Freundinnen aus dem Zirkel.
»Rosen und Granate«, sagte sie und rückte eine der Kwan-Yin-Statuetten auf dem Regal zurecht. »Seltsam, dass beides mit der Jungfrau Maria in Zusammenhang steht, nicht wahr?«
Oder mit der Göttin, je nach Sichtweise.
»Fangen Sie nicht so an!«, entgegnete ich.
Sie klimperte unschuldig mit den Wimpern.
Ich hielt mir meinen schmerzenden Bauch. Lilith war kaum noch zu bändigen. »Diesen Vergleich wollen Sie ja wohl nicht ziehen«, sagte ich. »Ich habe es nämlich schon begriffen. Ich weiß, was Sie sind. Sie rezitieren lateinische Sprüche und führen geheimnisvolle Rituale durch … Sie sind eine Hexe, genau wie ich.«
Das Kreuz an ihrem Hals blitzte unheilvoll im Sonnenlicht auf. »Nicht wie Sie.«
»Nein, nicht wie ich«, pflichtete ich ihr bei. Im selben Moment durchfuhr mich ein stechender Schmerz, und Rosa reichte mir ihre Hand.
»Wir können Ihnen helfen. Wir können Ihren Dämon exorzieren.«
Wusste sie von Lilith? Nein, dachte ich, unmöglich! Alle, die in jener Nacht dabei gewesen waren, waren tot. Außer mir.
»Tatsächlich?«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Und was dann? Dann töten Sie mich?«
Sie schenkte mir ein seliges Lächeln. »Sie müssen nur Ihrem bösen Treiben abschwören. Bereuen Sie Ihre Sünden, und das Reich Gottes ist Ihres.«
Das klang eigentlich ganz vernünftig. Aber sie gehörte zu den Leuten, die mit einem Langbogen in meiner Wohnung aufgetaucht waren und meinen Freund an die Wand genagelt hatten, der inzwischen noch toter wäre, wenn er keine übernatürlichen Kräfte besäße. »Hören Sie, wenn Sie Sebastian haben wollen, sollten wir voranmachen!«
»Ja«, sagte Rosa mit, wie ich fand, einem Anflug von Blutrünstigkeit.
Weil sie böse war.
Und das Böse musste vernichtet werden, nicht wahr? Im Namen der Gerechtigkeit.
Ja , flüsterte Lilith mir zu, so ist es . IHRE Wärme breitete sich allmählich in meinem Körper aus – ich spürte keine Schmerzen mehr, nur noch heiße, entfesselte Energie. Ich richtete mich auf, atmete tief durch und ließ mich von IHRER Wärme durchströmen.
Der Lagerraum war nur noch ein paar Schritte entfernt. In ein paar Sekunden stellte Rosa fest, dass ich sie belogen hatte, und dann musste ich irgendetwas tun. Liliths Energie schärfte meine Sinne, und mein ganzer Körper war angespannt und in Bereitschaft.
Mit der Hand auf dem Türknauf hielt ich inne. Es wäre so einfach: Ich könnte einfach die Augen schließen und Lilith die Angelegenheit überlassen. Ich wäre nicht einmal dabei. Ich müsste mich lediglich um die Nachsorge kümmern. Und im Blutaufwischen hatte ich ja nun wirklich Übung.
Ich drehte den Türknauf und sagte mir, dass Rosa nicht einfach irgendeine Fremde war, die ich mir nichts, dir nichts massakrieren wollte. Sie – beziehungsweise ihr
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