Nicht schon wieder Liebe
und sie zuckte mit vorgetäuschter Gleichgültigkeit mit ihren schmalen kleinen Schultern. Der Blick, den sie Veronica zuwarf, schien zu gleichen Teilen aus Traurigkeit, Trotz und Furcht zu bestehen;
»Manchmal war es echt schwierig, mit deiner Mama zusammenzuleben«, soufflierte Veronica behutsam.
Lizzy nickte.
»Trotzdem war sie immer noch deine Mama, und du hast sie lieb gehabt Und nicht gewollt, dass ihr etwas Schlimmes passiert.«
»Ja.« Lizzy nickte mit noch mehr Nachdruck und schob sich langsam näher an ihre Tante heran.
Veronica streckte die Arme aus und zog Lizzy an sich. »Es ist okay, sie in der einen Minute zu vermissen und in der nächsten fast froh darüber zu sein, dass sie nicht mehr da ist. In einer Situation wie dieser gibt es keine richtigen oder falschen Gefühle. Ich bin mit deiner Mama zusammen aufgewachsen, und meine Gefühle sind auch so gemischt.« Sie umarmte ihre Nichte fest und rieb ihre Wange an Lizzys Haar. »Ich wette, einige Kinder in der Schule sagen hässliche Dinge über ihren Tod.«
Lizzy hob mit einem Ruck den Kopf. »Sie sagen, mein Daddy hat meine Mama getötet«, sagte sie entrüstet. »Aber das ist nicht wahr! Daddy hat das nicht getan! Er würde niemals so was tun!«
»Die Polizei glaubt, dass er es war, Lizzy-Schätzchen.«
»Die Polizei irrt sich! Mein Daddy hat mir gesagt, dass er es nicht war! Er hat es sogar auf die Bibel geschworen!«
Veronica wusste nicht, was sie zu einer solch festen inneren Überzeugung sagen sollte, deshalb zog sie Lizzy einfach noch enger an sich. Ein einziges Gespräch würde Lizzys Situation nicht ändern oder verbessern, doch sie war froh, dass sie mit ihrer Nichte so offen darüber sprechen konnte. Alles in allem lief dieses Gespräch sehr viel besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. Der schwierigste Teil - das Thema von Crystals Tod anzuschneiden - lag hinter ihnen. Jetzt mussten sie und Lizzy nur noch über die Zukunft sprechen, und das war im Vergleich dazu ein Kinderspiel. »Du verstehst doch sicher, dass wir schließlich von Fossil wegziehen müssen, nicht?«
»Nein!« Lizzy riss sich von ihr los und funkelte sie aufgebracht an. »Wir können nicht wegziehen - wir müssen hier bleiben!«
Veronica blinzelte, erschrocken über die an Panik grenzende Vehemenz in Lizzys Stimme, dann riss sie sich zusammen, bemüht, ihrer Nichte eine Erklärung zu geben, die sie verstehen würde. »Ich spreche ja nicht von sofort«, meinte sie beschwichtigend. »Aber früher oder später werden wir nach Seattle ziehen müssen. Meine Arbeit -«
Lizzy sprang vom Bett und baute sich vor Veronica auf, ihre kleinen Fäuste in die Hüften gestemmt. »Du kannst deine Arbeit auch hier machen. Wir können nicht wegziehen!«
»Liebes, mir ist durchaus klar, dass es schwierig sein wird, auf eine neue Schule zu wechseln, aber das Gute daran ist doch, dass in Seattle niemand über deine Eltern Bescheid weiß, deshalb brauchst du dir keine Sorgen darüber zu machen, dass die Kinder dort irgendwas Gemeines zu dir sagen werden. Wir werden dir in meinem Haus ein Zimmer einrichten, das mindestens genauso schön ist wie dieses hier, und obwohl ich natürlich weiß, dass niemand Dessa ersetzen kann, verspreche ich dir, dass du dort andere Freunde finden wirst.«
»Das ist mir alles völlig egal! « Tränen strömten über Lizzys Wangen, und sie zitterte an allen Gliedern, während sie mit ihrer Tante stritt. »Wir müssen einfach hier bleiben, damit mein Daddy mich finden kann, wenn er zurückkommt!«
»Ach, Liebes.« Sie streckte die Arme nach Lizzy aus, doch Lizzy wich ihr aus, und Veronica ließ hilflos die Hände sinken. »Ich glaube nicht, dass dein Daddy zurückkommt.«
»Doch, das wird er! Er hat es mir gesagt. Er hat gesagt, er müsste weggehen wegen den Beho-, der Behö-«
»Der Behörden?«
Lizzy nickte heftig. »Ja. Diese Leute hätten einen Fehler gemacht und wollten ihn ins Gefängnis stecken wegen dem, was Mama passiert ist, hat er gesagt. Aber er hat mir versprochen, dass er zu mir zurückkommen wird! Er hat es mir versprochen !«
Das erklärte in gewisser Weise, weshalb Lizzy die Serie von Nackenschlägen, die sie erlitten hatten, mit solch relativer Ruhe und Gelassenheit hingenommen hatte. Jetzt war sie je-doch alles andere als ruhig und gelassen. Unfähig, noch länger mit anzusehen, wie Lizzy so heftig zitterte und schluchzte, streckte Veronica abermals die Arme nach ihr aus und drückte sie an sich. »Schsch«, murmelte sie beruhigend,
Weitere Kostenlose Bücher