Nicht schon wieder Liebe
wahrscheinlich über alles. Aber an dem Tag, an dem er vor dem Gesetz geflohen ist, hat er aufgehört, ein mustergültiger Dad zu sein. Wie stellt er sich das denn vor, so ein Leben auf der Flucht, mit einem kleinen Kind im Schlepptau ? Was will er denn tun, ihr die Haare färben, um ihr Aussehen zu verändern? Ihr beibringen, alle paar Monate auf einen neuen Namen zu hören? Sie wird lernen zu lügen, und er wird sie unentwegt von einem Ort zum anderen schleppen, um dem Gesetz immer einen Schritt voraus zu sein. Das ist doch kein Leben für ein Kind!«
Coop gab es zwar nur sehr ungern zu, aber es war etwas dran an dem, was Veronica sagte. Trotzdem. »Bist du hundertprozentig davon überzeugt, dass Lizzys Vater der Mörder ist?«
»Natürlich nicht. Aber die Tatsache, dass er abgehauen ist, ist auf jeden Fall belastend. Du musst doch zugeben, dass das ein Detail ist, das nicht gerade für seine Unschuld spricht.«
»Vielleicht ist er in Panik geraten, als es ihm klar wurde, dass er für eine Tat büßen soll, die jemand anderes begangen hat;«
»Wer denn zum Beispiel?«, fragte sie skeptisch. »Der große Unbekannte?«
»Nach allem, was ich gehört habe, ist Eddie bei weitem nicht der einzige Mann, mit dem deine Schwester etwas hatte. Ich will auf keinen Fall schlecht über die Toten sprechen, aber die Leute sagen, sie hätte nichts anbrennen lassen.«
Veronica ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen. »Ja, das stimmt schon, Crystal war kein Engel. Aber soweit ich weiß, war Eddie der Einzige, mit dem sie wirklich im Clinch lag.« Sie stieß den Atem aus und brachte damit eine glänzende Haarsträhne zum Flattern, die ihr über die Augenbraue gefallen war. »Was uns wieder zum Ausgangspunkt unserer Diskussion zurückbringt.« Dann erschien plötzlich ein seltsamer Ausdruck auf ihrem Gesicht.
Coop richtete sich kerzengerade auf seinem Stuhl auf. »Was ist los?«
»Was soll denn los sein?« ›
»Du hattest gerade so einen sonderbaren Ausdruck in den Augen.«
»Ach ja?«, Sie zuckte die Achseln. »Den nennt man Frustration«
»Nein, es war etwas anderes.« Und er wollte wissen, was.
Doch Veronicas Miene hatte; sich wieder geglättet und war nicht mehr zu deuten. »Das bildest du dir nur ein.«
Nein, er tat nichts» dergleichen. Sie wusste etwas oder vermutete etwas oder hatte gerade an etwas Bestimmtes gedacht - darauf hätte er schwören können.
Aber sosehr er auch darauf brannte, dieses Thema weiter zu verfolgen, er ließ es fallen. Vorläufig. Er war sich nämlich ziemlich sicher, dass sie sich ihm gegenüber sonst vollkommen verschließen würde.
Doch früher oder später, das hatte, er sich fest vorgenommen, würde er herausfinden, ob dieser plötzliche Gedanke oder diese Vermutung oder was immer das auch gewesen sein mochte, was diesen flüchtigen Ausdruck auf ihrem Gesicht hervorgerufen hatte, vielleicht helfen könnte, Eddies Namen reinzuwaschen.
15
E in eisiger Wind pfiff durch Veronicas Jacke, als sie über die Straße zum Tonk eilte. Als sie schließlich vor dem Eingang der Bar ankam, zögerte sie jedoch. Abgesehen von Dienstag, als sie für Sandy eingesprungen war, hatte sie es in der vergangenen Woche tatsächlich jeden Abend geschafft, zu einer halbwegs vernünftigen Zeit ins Bett zu kommen. Daher sollte sie sich eigentlich ausgeruht fühlen. Das Problem war nur ... sie hatte trotz des relativ frühen Zubettgehens nicht mehr Schlaf bekommen.
Sie war jeden Tag in den frühen Morgenstunden auf gewacht, um festzustellen, dass Coop entweder gerade zu ihr ins Bett stieg oder bereits dort war - und um zu erleben, wie er sie aus ihrem Pyjama schälte und in einen Zustand höchster sexueller Erregung versetzte, noch bevor sie überhaupt richtig wach war. Und Coop hatte sich nicht damit zufrieden gegeben, bloß einmal Liebe mit ihr zu machen und dann wieder zurück in sein eigenes Bett zu wandern. Ganz im Gegenteil. Meistens hatte sie ihre Orgasmen gar nicht mehr zählen können, und zwar lange, bevor er wieder aus ihrem Bett gestiegen und in seine Dachgeschosswohnung hinaufgegangen war.
Und - Junge, Junge! - bei dem bloßen Gedanken daran wurde ihr so warm, als ob sich der eisige Wind plötzlich in ein laues Frühlingslüftchen verwandelt hätte.
Aber egal. Veronica straffte die Schultern und griff nach der Türklinke. Das war nicht der Anlass, der sie ins Tonk führte. Sie zog es nun einmal vor, gewisse Dinge gründlich zu durchdenken, und aus diesem Grund - und nicht etwa aus irgendeinem
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