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Nicht schwindelfrei - Roman

Nicht schwindelfrei - Roman

Titel: Nicht schwindelfrei - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haymon Verlag
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damit er nachkommen konnte.
    Als sie ihm den Schirm abnahm, standen sie zwei Stockwerke höher im Gang ihrer Wohnung.
    Sie sind ja ganz nass, sagte sie.
    Vom Saum seiner Jacke tropfte es auf den Fliesenboden. Sie reichte ihm ein Handtuch, damit er sich die Haare trocknen konnte. Die nassen Schuhe liess er auf einer dafür vorgesehenen kuchenblechförmigen Unterlage zurück.
    Er stand im Wohnzimmer auf einem weichen Teppich. Die Frau nahm ihm das Tuch aus der Hand und ging damit hinaus.
    Paul beschaute, was er vor sich hatte. Ein dunkel gerahmter grosser Holzschnitt hing über dem Sofa. Es handelte sich, wie er später erfuhr, um das Werk einer Künstlerin, die eigentlich längst hätte berühmt sein müssen.
    Viele von uns müssten eigentlich schon lang etwas anderes, Erfreulicheres sein, als sie sind, hatte Paul gesagt.
    Das leichte Nicken der Frau war als Zustimmung sehr provisorisch gewesen.
    Der Holzschnitt stellte eine Berglandschaft dar mit winzigen windschiefen Menschen, Tieren und Scheunen. Beim flüchtigen Hinschauen sah man sie nur als Unregelmässigkeiten in der klar gefügten Natur. Für den Himmel war wenig Platz geblieben.
    Neben dem Sofa stand eine langstielige Lampe. Ein Halbkreis ihres Lichts berührte den unteren Teil eines farbigen Wandbehangs, der die Stirnseite eines alten Schrankes bedeckte. Im oberen Kranz des Schrankes fehlte ein Eckstück.
    Die Frau stellte sich neben Paul, verdoppelte damit seinen Blick auf die Webarbeit. Sie löste das elastische Band, das ihr Haar in einem schiefen Wirbel zusammenhielt, und schüttelte die Strähnen frei. Sie heisse Claire Muheim, sagte sie.
    Und er: Ich weiss. Auf dem Briefkastenschild ist es zu lesen.
    Paul von Matt, fügte Paul hinzu, um sich seinerseits zu benennen.
    Sie nickte ein paar Mal rasch. Namen vergesse ich fast augenblicklich oder ich verwechsle sie. Bitte erinnern Sie mich an Ihren Namen, wenn Sie hier weg gehn.
    Gern, erwiderte Paul, den vergesse ich nicht so leicht. Er lachte, unsicher, ob ihm mit seiner Bemerkung ein Spass gelungen sei.
    Vom farbigen Teppich sagte sie, er komme aus Guatemala. Sie habe gut zwei Jahre dort gelebt. Sie deutete an, was das hiess: Kinder unterrichten und einen Mann lieben, bis einem das Geld ausgeht. Mit der festen Absicht, bald wieder zurück zu kehren, fuhr sie in die Schweiz. Ein Jahr verging, dann ein weiteres. Unterdessen lebte der Mann mit einer anderen, die von ihm ein Kind erwartete oder wohl bereits bekommen hatte. Diese andere, Esperanza, war in Guatemala Claires Freundin gewesen. Sie schrieben einander weiterhin Grüsse, seltener und knapper allerdings. Claire trauerte um die verlorene Freundin, die vermutlich glaubte, sie hätte nicht zulassen dürfen, was geschehen war. Claires Blick verliess den guatemaltekischen Teppich, strich über das Regal mit den Büchern, fand dann eine Stelle, eine Nische, wo er verweilte.
    Sie setzten sich an einen Tisch, auf zwei von mehreren Stühlen, und tranken Tee.
    Sie schauen so drein, ich weiss nicht wie, sagte Paul.
    Claire sagte, sie sei im Kino gewesen, in einem japanischen Film, in den sie durch ein Missverständnis hineingeraten sei. Zum Glück! Ich war berührt, innen berührt. Ein alter Mann aus einem Pflegeheim, ganz konfus, und eine junge, unerfahrene Pflegerin haben sich in einem Wald verlaufen und verloren. Im Wald von Mogari. Beide trauerten um einen Menschen, sie um ihren kleinen Sohn, er um seine Frau, die seit dreissig Jahren tot war. Es wurde Nacht, die beiden Menschen tappten im Gewitterregen herum. Ein Bach wurde plötzlich zum Wasserfall. Claire verstummte.
    Und dann?
    Man kann das nicht erzählen. Sie wärmten sich mit ihren Leibern, die beiden Menschen. Wie ein Wunder
war das.
    Wald von Mogari, flüsterte Paul, als müsste er sich den Namen merken.
    Wurden sie ein Liebespaar?, fragte er.
    So kann man das nicht sagen. Es war das alte Unglück und die neue Not, die sie zusammenbrachte. Eine Liebe, die aus der Not entstand.
    Wald von Mogari, sagte Paul. Sie fanden nicht wieder hinaus, aus diesem Wald, nicht wahr?
    Nein. Es gab da viele kleine Wege, aber keinen Ausweg.
    Claire hatte aus dem Kino eine Erschütterung mitgebracht, die jetzt trotz der Tränen etwas Fröhliches hatte.
    Paul scheute sich, ihre Hand zu berühren.
    Soll ich Ihnen das nächste Mal einen Blumenstrauss mitbringen?, fragte er.
    Sehen wir uns denn noch einmal?
    Ja.
    Blumensträusse sind

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