Nicht tot genug 14
fast leere Flasche Rosé und daneben ein leeres Glas. Im Fernseher lief die DVD von Memoiren einer Geisha, doch sie konnte die Augen kaum offen halten.
Natürlich hätte sie nicht so viel trinken sollen, zumal sie Rufdienst hatte und noch eine Seminararbeit für ihr Philosophiestudium verfassen musste, aber als sie den Fisch tot auf dem Boden gefunden hatte, hatte es ihr einen richtigen Schock versetzt. Seltsam, da beschäftigte sie sich nun den ganzen Tag mit toten Menschen und konnte ihre Gefühle, außer bei Kindern, immer gut beherrschen. Doch als sie den kleinen Fisch in dem Spalt zwischen zwei Dielenbrettern entdeckt hatte, sein lebhaftes Gold zu einem dumpfen Bronzeton verblasst, das trübe Auge anklagend zu ihr gewandt, als wollte er sagen, Warum hast du mich nicht gerettet?, machte sie das ungeheuer traurig.
Wie war der kleine Kerl überhaupt auf den Boden gelangt? Wenn es gestern passiert wäre, hätte sie ihrer Putzfrau, der ohnehin ständig etwas kaputtging, die Schuld geben können. Aber Marija kam dienstags nicht. War eine Katze irgendwie herein gelangt? Ein Vogel? Oder hatte der arme Fisch einfach nur etwas Neues ausprobieren wollen?
Sie streckte den Arm nach der Flasche aus, goss sich die letzten Tropfen ins Glas und trank es aus. Im Fernsehen erlernte die Geisha gerade die Kunst, einem Mann Freude zu bereiten. Cleo wurde aufmerksam; immerhin hatte sie den Film in der Hoffnung ausgeliehen, ein paar interessante Dinge zu lernen, die sie bei Roy ausprobieren konnte.
Darum trug sie unter ihrem seidenen Morgenmantel etwas sehr Enthüllendes mit cremefarbener Spitze, das sie am Samstag zu einem sündhaften Preis in einem Dessousladen gekauft hatte. Den ganzen Abend über hatte sie überlegt, wie sie Roy empfangen wollte. Die Tür aufmachen, ihn küssen, einen Schritt zurücktreten und den Morgenmantel fallen lassen.
Sie war so gespannt auf seine Reaktion! Sie hatte einmal gelesen, dass Männer darauf standen, wenn Frauen die Initiative ergriffen. Und es machte sie schon an, in diesem Nichts von Unterwäsche hier zu liegen und daran zu denken. Die Uhr am Videorecorder zeigte acht Minuten nach Mitternacht. Wo blieb er nur?
Wie als Antwort klingelte das Telefon. Es war Roy, die Handyverbindung knisterte hörbar.
»Hallo, wie geht’s?«
»Ganz gut. Wo steckst du nur, du Ärmster?«
»Bin in fünf Minuten im Büro. Ich muss noch rasch ein paar Sachen für morgen vorbereiten, aber in einer halben Stunde könnte ich bei dir sein. Ist das zu spät?«
»Nein, ganz und gar nicht! Komm, sobald du kannst. Ich mache dir schon einen Drink. Wie ist es gelaufen?«
»Gut, sehr gut sogar. Anstrengend, aber das war es wert. Bist du ganz sicher, dass ich noch zu dir kommen soll?«
»Und wie, Liebster! Zu zweit macht Sex viel mehr Spaß!«
Sie hängte ein, doch das Telefon klingelte sofort wieder.
»Hallo?«
Scheiße, dachte sie, als sie die Stimme am anderen Ende hörte.
Mist, Mist, Mist! Warum gerade jetzt?
102
SKUNKS TELEFON PIEPSTE . Eine eingehende Nachricht. Er löste sich von der halb nackten Bethany und versuchte verzweifelt, sich zu orientieren. Er hatte geschlafen, fühlte sich völlig verkrampft und konnte das verdammte Handy nicht finden. Außerdem war er auf Turkey.
»Autsch!«, sagte Bethany, als er die Hand unter ihren Oberschenkel schob.
»Ich suche nur mein Handy.«
Er fand es auf dem Boden vor dem Beifahrersitz. Die Nachricht stammte von DC Paul Packer:
Bereit. Und du?
Skunk simste zurück:
Ja.
Das Display zeigte vierzehn Minuten nach Mitternacht.
Skunk schlängelte sich in seine Jogginghose aus Fliegerseide, während Bethany herumjammerte, er quetsche sie platt. Die Turnschuhe hatte er gar nicht erst ausgezogen. Dann küsste er Bethany flüchtig auf die Wange. »Bis dann!«
»Was hast du vor? Wo willst du hin?«
»Ins Büro!«
»Erzähl mal.«
»Ich muss los.«
Er kroch mühsam aus dem Wagen, weil sein Körper so steif und zittrig war. Er stützte sich mit einer Hand auf den Wagen, mit der anderen an den Baustellenzaun. Er atmete schwer, und einen Moment lang glaubte er, er müsse sich übergeben. Schweiß rann ihm über Gesicht und Körper. Er sah Bethany, die ängstlich zu ihm herausschaute und deren Gesicht im Licht der Straßenlaterne geisterhaft bleich wirkte.
Er machte einen Schritt nach vorn, schon wurde ihm schwindlig. Er konnte sich gerade noch an einem Auto abstützen. Es muss sein!, sagte er sich. Halt durch, nur noch ein paar Schritte, du
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