Nicht tot genug 14
fliegen.
Um jeden Preis.
Er musste ständig an Sandy denken. Sie hatte angeblich in einem Biergarten gesessen. Mit ihrem Freund? Hatte sie das Gedächtnis verloren? Oder handelte es sich doch nur um eine Verwechslung? Bei jedem anderen hätte er nicht viel darauf gegeben, aber Dick Pope war ein guter Ermittler, ein gründlicher Mann, der ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter besaß.
Um kurz vor halb sieben verließ Grace mit Glenn Branson die Vernehmungsabteilung, zog zwei Becher Kaffee am Automaten und ging in die Soko-Zentrale 1, die Tony Case ihnen zugewiesen hatte.
Grace betrachtete sein Team mit gemischten Gefühlen. Er sah mehrere vertraute Gesichter, auf die er sich freute: Detective Sergeant Bella Moy, eine attraktive Frau von fünfunddreißig mit rotbraunem Haar, die wie immer eine offene Packung Maltesers neben sich liegen hatte. Dazu Nick Nicholas und die Datenbankspezialistin Susan Gradley, eine mollige junge Frau mit langem braunem Haar, die äußerst fleißig und effizient arbeitete. Und natürlich saß da auch der unvermeidliche Norman Potting, den er im Auge behalten musste.
Potting war dreiundfünfzig und hatte die verbleibenden Haare über die Halbglatze gekämmt. Sein Gesicht war von geplatzten Äderchen durchzogen, die Zähne waren vom Nikotin gelb gefärbt. Er trug einen verknitterten braunen Leinenanzug und ein verschlissenes, kurzärmeliges Hemd, auf dem noch Reste des Mittagessens klebten. Ungewöhnlich war nur die Sonnenbräune, die ihm, wie Grace zugeben musste, gar nicht mal so schlecht stand. Potting wurde von einer Wache zur anderen geschoben, weil er politisch vollkommen unkorrekt war und ständig mit seinen Kolleginnen aneinander geriet. Er wurde immer dort eingesetzt, wo gerade extremer Personalmangel herrschte.
Am wenigsten glücklich war Grace über die Anwesenheit von DC Alfonso Zafferone, einem mürrischen, arroganten Mann Ende zwanzig. Ein gut aussehender Latino mit Gelfrisur, schwarzem Anzug, schwarzem Hemd und weißer Krawatte. Bei ihrer letzten Zusammenarbeit hatte Zafferone sich als scharfsinnig, aber auch als schwierig erwiesen.
Er begrüßte nacheinander die Mitglieder seines Teams, wobei er im Kopf noch immer Katie Bishop auf ihrem Bett liegen sah. Auf dem Bett und dann auf dem Seziertisch. Die Verantwortung wog schwer. Sie alle hier in diesem Raum trugen ungeheure Verantwortung.
In den nächsten Stunden und Tagen würde er mehr über Katie Bishop erfahren als sonst jemand auf der Welt. Mehr als ihr Mann, ihre Eltern, ihre Geschwister und besten Freunde. Die mochten zwar glauben, dass sie sie gekannt hatten, wussten aber nur das, was Katie sie wissen lassen wollte. Jeder hatte etwas zu verbergen. Das war nur menschlich.
Und für Roy Grace würde es auch persönlich werden. Doch er wusste noch nicht, wie persönlich.
27
SKUNK FÜHLTE SICH SCHON VIEL BESSER . Die Welt sah auf einmal ganz anders aus. Das Heroin tat seine Wirkung – alles war warm und anheimelnd, die Endorphine strömten nur so durch seinen Körper. So sollte das Leben sein; am besten für immer.
Die Shitheads hatten sich aus seinem Wohnwagen verzogen. Dann war Bethany aufgetaucht und hatte aus dem Kühlschrank ihrer Mutter Hähnchen, Kartoffelsalat und Creme Caramel mitgebracht. Er hatte Bethany von hinten genommen, wie sie es gern hatte. Auch er stand darauf, wenn ihr enormer Hintern gegen seinen Bauch stieß.
Jetzt fuhren sie im kleinen Peugeot ihrer Mutter die Promenade entlang. Skunk lümmelte mit nach hinten gelehntem Kopf auf dem Beifahrersitz und betrachtete sein »Büro« durch die purpurrote Brille. Registrierte die parkenden Autos. Alle nur denkbaren Modelle. Staubig und heiß von der Sonne. Die Eigentümer waren am Strand. Er hielt Ausschau nach dem Wagen, den er auf dem zerknitterten Zettel notiert hatte. Seine Einkaufsliste, die er immer wieder überfliegen musste, weil sein Gedächtnis so beschissen war.
»Ich muss gleich nach Hause. Meine Mutter braucht den Wagen. Sie geht heute Abend zum Bridge«, sagte Bethany.
Alle verdammten Automodelle dieser Welt parkten an der Promenade, nur nicht das, nach dem er suchte. Audi A4 Cabrio, neues Modell, Automatik, wenig gelaufen, blau-, silber- oder schwarz- metallic.
»Fahr zum Shirley Drive«, wies er sie an.
Die Uhr am Armaturenbrett zeigte Viertel nach sechs.
»Ich muss um sieben zu Hause sein. Sie braucht den Wagen wirklich; sie bringt mich um, wenn ich zu spät komme.«
Skunk schaute Bethany wohlwollend an. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher