Nicht tot genug 14
fuhr fort: »Brian Bishop wird übrigens von Linda Buckley und Maggie Campbell betreut –«
In diesem Augenblick klingelte das Handy von Nick Nicholas. Er warf Roy Grace einen entschuldigenden Blick zu, stand auf und entfernte sich ein Stück von den anderen.
»DC Nicholas.«
Zafferone nutzte die Pause und schaute Potting prüfend an. »Warst in Urlaub, was?«
»Thailand«, entgegnete Potting und lächelte den Damen zu, als wollte er sie mit seiner exotischen Reise beeindrucken.
»Hast dir eine schöne Sonnenbräune mitgebracht.«
»Ich habe mir noch mehr mitgebracht«, strahlte Potting und hob die rechte Hand, an der er einen goldenen Trauring trug.
»Scheiße noch mal, eine Frau?«
Bella steckte sich eine halb geschmolzene Malteser-Kugel in den Mund. »Das wäre dann Nummer vier, oder?«
»Stimmt«, sagte er noch immer strahlend, als wäre es eine beachtliche Leistung.
»Ich dachte, Sie wollten nicht mehr heiraten, Norman«, sagte Grace.
»Na, Sie wissen ja, wie das läuft, Roy. Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern.«
Bella lächelte eher mitleidig, als wäre er ein seltenes Tier im Zoo.
»Wo hast du sie denn kennengelernt?«, erkundigte sich Zafferone. »In einer Bar? Einem Club? Oder einem Massagesalon?«
Plötzlich wirkte Potting ein wenig verschämt. »Eigentlich durch eine Agentur.«
Einen Moment lang bemerkte Grace echtes Gefühl in Pottings Gesicht. Eine leise Traurigkeit. Und Einsamkeit.
»Okay«, sagte Nick Nicholas, steckte sein Handy ein und setzte sich wieder hin. »Wir haben etwas Interessantes.«
Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
»Auf dem Flughafen Gatwick gab es eine Sicherheitswarnung. Auf den Brücken beiderseits der M23 wurden ANPR-Kameras aufgestellt. Ein auf Brian Bishop zugelassener Bentley Continental wurde gestern Abend um 23.47 Uhr aufgenommen. Er fuhr nach Süden in Richtung Brighton. Es gab ein technisches Problem mit der nach Norden gerichteten Kamera, sodass wir keinen Beleg dafür haben, ob und wann er nach London zurückgekehrt ist.«
ANPR-Kameras dienten der automatischen Erkennung von Nummernschildern und wurden zunehmend von Polizei und Sicherheitsdiensten eingesetzt, um Fahrzeuge in einem bestimmten Gebiet zu überwachen.
Glenn Branson schaute Grace an. »Sieht aus, als hätte dein Blinzeltest versagt, Roy. Angeblich hat er doch um diese Zeit in London im Bett gelegen.«
Doch Grace ärgerte sich überhaupt nicht darüber, seine Laune besserte sich sogar. Wenn sie Brian Bishop vielleicht noch an diesem Abend zu einem Geständnis zwingen konnten, wäre die Ermittlung viel früher als erwartet abgeschlossen. Und dann könnte er womöglich gleich morgen nach München fliegen. Natürlich wäre es auch denkbar, Kim Murphy die Leitung der Ermittlungen zu überlassen, aber das war normalerweise nicht sein Stil. Er behielt gern den Überblick, packte mit an, prüfte jedes Detail. Wenn man mit jemandem zusammenarbeitete, der einem fast gleichgestellt war, passierten häufig Fehler, gingen wichtige Dinge einfach unter.
»Reden wir mal mit den Familienbetreuerinnen. Vielleicht finden wir auch noch mehr über den Wagen heraus. Danach helfen wir Bishops Gedächtnis ein bisschen auf die Sprünge.«
30
UM VIERTEL NACH SIEBEN verschwand die Sonne allmählich. Der Zeitmilliardär saß in einem überfüllten Straßencafé, trank seine dritte Coke Zero und kratzte Reste von Pekannusseis aus seinem Becher. Hier konnte er seine Zeit verschwenden, in Dollar, Pfund und Euro.
Er hielt wieder die rechte Hand an den Mund und saugte daran. Der brennende Schmerz war immer noch da, und er meinte, eine Reihe winziger roter Punkte zu sehen, umgeben von gelben Flecken, die an Nikotin erinnerten und immer deutlicher hervortraten.
In der Nähe spielte eine Steelband »Island in the Sun«.
Einmal war er auch auf einer Insel in der Sonne gewesen. Alles war vorbereitet, und dann war das passiert. Das Leben hatte ihm wieder mal einen Arschtritt verpasst. Na ja, nicht das Leben selbst, etwas anderes.
Jemand anders.
Die Luft schmeckte nach Salz, roch nach Tauen, Rost, Farbe, und alle paar Minuten wehte ein Hauch von Urin vorbei. Gleich würde der Mond aufgehen. Dem hatten die Menschen auch einen Arschtritt verpasst.
Er hatte schon bezahlt, die Quittung lag unter dem Aschenbecher und flatterte wie ein sterbender Schmetterling in der Brise. Er war bereit für den nächsten Schritt. Was auch immer das sein würde.
Er fragte sich, wohin die ockerfarbene Scheibe
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