Nicht tot genug 14
Tarrant, von dessen Lippen sie die Frage ablesen konnte: »Und Sie bleiben bei dieser Antwort?«
Der Computerfreak mit der Riesenbrille nickte.
Um die Antwort Marokko leuchtete ein gelber Rahmen auf.
Sekunden später blitzte Tunesien in grüner Farbe.
Chris Tarrants Augenbrauen wanderten in Richtung Haaransatz.
Die Frau im Rollstuhl wirkte wie vor den Kopf geschlagen, während ihr Mann auf seinem Stuhl in sich zusammensank.
»John, Sie hatten 64000 Pfund …«, las sie von Tarrants Lippen ab.
»Willst du jetzt fernsehen oder dein Geschenk auspacken?«
Sie stellte das Tablett auf den Nachttisch. »Natürlich das Geschenk auspacken. Aber zuerst will ich wissen, wie es dir geht. Was mit –«
»Ich will nicht darüber reden. Mach es auf!« Sein aggressiver Ton traf sie wie ein Schlag.
»In Ordnung.«
»Warum siehst du dir überhaupt diese Scheiße an?«
Ihre Augen zuckten wieder zum Bildschirm. »Die Sendung gefällt mir eben. Der arme Kerl, seine Frau sitzt im Rollstuhl, und er hat gerade die 125 000-Pfund-Frage vergeigt.«
»Das ist doch alles Betrug.«
»Ist es nicht!«
»Das ganze Leben ist Betrug, hast du das noch nicht kapiert?«
»Wieso?«
Er deutete auf den Fernseher. »Ich kenne diesen Typen nicht, den kennt kein Schwein. Vor wenigen Minuten saß dieser Niemand auf dem Stuhl und hatte nichts. Jetzt fährt er mit 32000 Pfund nach Hause und ist trotzdem unzufrieden. Dabei sollte er vor Freude in die Luft springen. Und du willst mir sagen, das sei kein Betrug?«
»Das ist doch eine Frage der Perspektive. Ich meine, von seinem Standpunkt aus –«
»Schalt die verdammte Kiste ab!«
Sophie war noch immer entsetzt über sein aggressives Verhalten, erwiderte aber trotzig: »Nein, ich möchte es gerne sehen.«
»Soll ich gehen, damit du dein beschissenes kleines Quiz weiter gucken kannst?«
Schon bereute sie ihre Worte. Vorhin war sie noch fest entschlossen gewesen, mit Brian Schluss zu machen, doch als er nun hier vor ihr stand, löste sich alles in Wohlgefallen auf. Mein Gott, was der arme Mann gerade durchmachte … Sie schaltete den Fernseher aus. »Tut mir leid.«
So hatte er sie noch nie angeschaut. Ganz unpersönlich, als habe sich ein Vorhang über seine Augen gesenkt.
»Es tut mir wirklich leid. Ich bin nur so überrascht, dich hier zu sehen.«
»Du freust dich also nicht, dass ich gekommen bin?«
Sie setzte sich auf, umarmte ihn und küsste ihn auf die Lippen. Er hatte Mundgeruch und war völlig verschwitzt, aber das störte sie nicht. Es waren männliche Gerüche, seine Gerüche. Sie atmete sie ein, als wären es die verführerischsten Düfte der Welt. »Und wie ich mich freue. Ich war nur …« Sie schaute in seine wunderbaren haselnussbraunen Augen. »Ich war nur so überrascht, nach dem, was du vorhin am Telefon gesagt hattest. Bitte erzähl mir, was passiert ist. Erzähl mir alles.«
»Aufmachen!« Er wurde lauter.
Sie schlug das Seidenpapier zurück, doch wie bei einer russischen Puppe lag darunter eine weitere Schicht und noch eine. Sie versuchte, ihn von seinem Zorn abzulenken. »Na schön, ich rate jetzt mal, was hier drin ist. Ich tippe auf –«
Plötzlich war sein Gesicht ganz nah, ihre Nasen berührten sich beinahe.
»Mach es auf!.«, brüllte er. »Mach es auf, blöde Schlampe!«
38
SKUNK FUHR durch die hereinbrechende Dämmerung, wobei er immer wieder in den Rückspiegel schaute. Die Scheinwerfer des Opel Vectra waren aus dem Nichts aufgetaucht, kurz nachdem er die Tiefgarage verlassen hatte. Jetzt beschleunigten sie und fädelten sich hinter dem schwarzen BMW ein, der genau hinter ihm fuhr.
Das allein hatte noch nichts zu bedeuten. Als er im Stau am Kreisverkehr vor dem Brighton Pier stand, gelang es ihm jedoch, einen flüchtigen Blick auf den Mann auf dem Beifahrersitz zu erhaschen. Und dann überkam ihn die Panik.
Er meinte, den Zivilbullen Paul Packer zu erkennen, dem er mal ein Stück vom Finger abgebissen hatte. Dafür hatte er eine Jugendstrafe abgesessen.
Lindsay Lohan schmetterte gerade »Confessions of a broken heart«, doch Skunk hörte kaum hin, sondern konzentrierte sich auf den Verkehrsfluss im Kreisverkehr und überlegte, welche Ausfahrt am günstigsten sei. Der Fahrer hinter ihm hupte. Skunk zeigte ihm einen Vogel. Er hatte vier Ausfahrten zur Auswahl. Eine führte in die Stadtmitte und geradewegs in den Stau; über die zweite gelangte man auf die Marine Parade, eine breite Straße mit vielen Abzweigungen; die dritte führte am Strand
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