Nicht tot genug 14
war der Wagen, den Cleo Morey fuhr.
Trotz der Schmerzen und der Benommenheit nahm allmählich ein Plan Gestalt in ihm an. Ein richtig guter Plan.
»Verdammt brillant!«, entfuhr es ihm laut, weil er seine Aufregung nicht zügeln konnte. Sofort verkroch er sich wieder in sich selbst.
Er zitterte.
Das war immer ein Zeichen, dass der Herr seine Pläne guthieß.
65
GRACE HATTE SCHWEREN H ERZENS einen früheren Flug gebucht, da er nur ungern auf die kostbaren Stunden in München verzichtete. Das Wetter in England hatte sich während des Tages dramatisch verändert, und als er um kurz nach sechs das Parkhaus auf dem Flughafen Heathrow verließ, war der Himmel von einem bedrohlich dunklen Grau, und ein kalter Wind wehte die ersten Regentropfen gegen die Scheibe.
An den langen Sommertagen vergaß man völlig, dass es auch solches Wetter gab. Es war wie eine strenge Mahnung von Mutter Natur, dass diese Jahreszeit nicht mehr lange dauern würde. Die Tage wurden schon kürzer, in einem Monat wäre Herbst. Danach kam der Winter. Wieder ein Jahr vorüber.
Grace fühlte sich müde und ausgelaugt und fragte sich, was er heute eigentlich erreicht hatte. Abgesehen davon, dass er sich bei Alison Vosper wieder einmal unbeliebt gemacht hatte.
Er steckte das Parkticket in den Schlitz, und die Schranke hob sich. Selbst das Motorgeräusch beim Gas geben, das er eigentlich gerne hörte, klang an diesem Abend irgendwie falsch. Der Wagen lief definitiv nicht auf allen Zylindern. Genau wie sein Besitzer.
Sieh zu, dass du mit dir ins Reine kommst.
Ruf an, wenn du zurück bist.
Als er in Richtung Kreisverkehr fuhr und auf die M25 bog, steckte er das Handy in die Freisprechanlage und rief Cleo an. Es klingelte. Dann hörte er ihre Stimme, sie nuschelte ein bisschen und war über die lärmende Jazzmusik im Hintergrund kaum zu verstehen.
»Hey! Detective Superintendent Roy Grace! Wo steckst du denn gerade?«
»Kurz hinter Heathrow. Und du?«
»Ich lasse mich mit meiner kleinen Schwester volllaufen. Wir sind bei unserem dritten Sea Breezes – nein – sorry – stimmt nicht! Wir sind bei unserem fünften Sea Breezes, hier unten an den Arches. Ganz schön windig, aber die Band ist toll! Komm doch her!«
»Ich muss noch zu einem Tatort. Vielleicht später?«
»Ich glaube, bis dahin sind wir bewusstlos!«
»Hast du heute keinen Rufdienst?«
»Ist mein freier Tag!«
»Kann ich später vorbeikommen?«
»Kann nicht garantieren, dass ich dann noch wach bin. Aber du kannst es ja versuchen!«
*
In seiner Kindheit bildete die Church Road in Hove die langweilige Fortsetzung der lebendigen Western Road, der Haupteinkaufsstraße von Brighton. In den letzten Jahren hatte man sie deutlich aufpoliert, und wie so vieles in dieser Stadt waren die meisten vertrauten Namen aus seiner Vergangenheit verschwunden.
Newman Villas war eine eher billige Gegend in dieser Stadt der Durchreisenden und von einem wahren Wald aus Maklerschildern gesäumt. Nummer 17 bildete da keine Ausnahme. Hier war eine Dreizimmerwohnung zu vermieten. Unmittelbar neben dem Schild stand ein untersetzter Polizist in Uniform mit einem Klemmbrett in der Hand. Hinter ihm verlief ein schwarz-weißes Absperrband, auf der Straße parkten der Einsatzwagen und weitere Polizeiautos, die bereits von der Presse belagert wurden. Auch der gute alte Kevin Spinella war vor Ort.
Niemand bemerkte Grace, der in seinem Alfa Romeo an dem Pulk vorbeifuhr und um die Ecke in der Church Road parkte. Er stellte den Motor ab und blieb einen Augenblick still sitzen.
Sandy.
Wie sollte es jetzt weitergehen? Sollte er abwarten, ob Kullen etwas herausfand? Oder zurück nach München fliegen und mehr Zeit investieren? Er hatte noch über zwei Wochen Urlaub, die er eigentlich mit Cleo hatte verbringen wollen. Vielleicht in New Orleans, wo Ende des Monats auch eine Polizeitagung stattfand.
Falls Sandy tatsächlich in München war, würde er sie irgendwann finden. Der heutige Tag hatte nicht viel gebracht. In einer so kurzen Zeit konnte er kaum etwas ausrichten, doch immerhin hatte er die Sache ins Rollen gebracht und alles unternommen, was auf die Schnelle überhaupt möglich war. Marcel Kullen war ein zuverlässiger Mann, der sein Bestes tun würde. Vielleicht würde es reichen, noch einmal für eine Woche hinzufliegen. Dann könnte er die andere Woche mit Cleo in New Orleans verbringen. Falls, und das war ein großes Falls, sie damit einverstanden war.
Jetzt aber musste er sich
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