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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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Hamburger. Fröhlich kauend antwortet sie. »Wie denn auch? Zweimal Wiederauferstehen, das wäre neuer Rekord, sogar für eure Religion.«
    »Warum erzähle ich’s dir überhaupt?«
    Maryam zelebriert sogar das Essen von Junk Food so sinnlich, als wollte sie mit der Nummer das Model in der Häagen-Dasz-Werbung ausstechen, sie schließt die Augen und genießt.
    »Wie hast du’s diesmal gemacht?«
    »Mit Norglucon. Genau so, wie du gesagt hast.«
    »Da kann eigentlich nicht viel schiefgehen.«
    »Gestern Abend war er auch tot, aber heute ist er putzmunter wieder aufgewacht.«
    Maryam bleibt bei ihren Zweifeln: »Vielleicht hast du’s zu niedrig dosiert. Oder ihm Baldrian gegeben.«
    »Maryam, ehrlich: Glaubst du, ich bin verrückt?«
    »Nein!«, mit spitzen Fingern fischt sie ein paar Pommes aus der Schachtel, »nur vielleicht etwas –
unausgeglichen

    »Ist das ein Wunder? Tom betrügt mich, und die Schlampe, mit der er’s treibt, stöckelt neuerdings in unserer Agentur über den Flur.
Natürlich
bin ich unausgeglichen!«
    Wie schafft Maryam es nur, ihren Hamburger halbwegs würdevoll zu essen? Aus meinem quillt hinten die Remoulade heraus. Ein Teil tropft zu Boden, der Rest verschmiert mir die Finger.
    »Mach’s doch genauso.«
    »Was? Höhere Absätze tragen?«
    »Quatsch. Such dir einen Lover.«
    »Ich bitte dich. Als wenn ich das nötig hätte.«
    »Nicht?« Maryam dreht sich zu mir, sie schwenkt ein Bein durch die Luft und setzt sich rittlings auf die Bank. »Wann habt ihr zum letzten Mal?«
    »Das letzte Mal
was

    »Du weißt schon …!« Maryam wedelt mit der Hand, als fiele ihr das passende Wort nicht ein.
    »Weiß nicht. Neulich«, erkläre ich so gleichgültig wie möglich, denn was geht sie das an? Es war vor ein paar Wochen, dienstags, statt
Tagesthemen
. Nicht atemberaubend, aber auch nicht langweilig.
    Maryam bleibt hartnäckig: »Definiere
neulich

    »Will ich nicht.«
    »Siehst du«, stellt sie triumphierend fest.
    »Ich habe eben eine Phase im Leben, in der das Körperliche nicht so im Vordergrund steht«, protestiere ich, wobei mir fast Burger-Remoulade auf die Hose getropft wäre.
    »Klar.«
    »Was ist klar?«
    »Du bist hormonell unterversorgt, ist doch logisch. Nicole, geh aus. Verabrede dich. Komm auf andere Gedanken. Das ist auch gut für dein Selbstbewusstsein.«
    »Was soll das schon bringen, sich irgendeinen x-beliebigen Typen zu angeln, nur um mit ihm … du weißt schon?«
    Maryams Blick geht ins Leere, sie schaut geradeaus über den Platz hinweg: »Der Kick ist geil.«
    Der Satz kommt von Herzen, aus tiefster Kehle, mit Leidenschaft. Und dann lutscht sie sich auf so verführerische Art und Weise den Ketchup von den Fingern, dass jedes männliche Wesen in Blickweite eigentlich sofort in Ohnmacht fallen müsste.
    Ich bin baff. Maryam hat ein Verhältnis?
    »Maryam! Das hast du mir ja gar nicht erzählt! Wie heißt er?«
    »Nicht so wichtig«, wiegelt sie ab, wird dabei aber ein bisschen rot.
    »Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Erzähl! Seit wann denn? Wo habt ihr euch kennengelernt? Ist er nett?«
    »Kommt es immer darauf an, ob einer
nett
ist?«
    »Ja, schon. Oder … Ist er nur was fürs Bett?«
    »Bett …?«, fragt sie und schaut mich dabei frech an.
    Na toll. Meine beste Freundin hat einen Lover, und sie treiben es überall. Bisher hatte ich mich nur einsam gefühlt – jetzt fühle ich mich einsam, prüde und verklemmt.

22
    Später am Nachmittag klingelt mein Handy, die Nummer, die im Display auftaucht, kenne ich nicht. Es meldet sich der Pfleger aus Tante Hildes Seniorenresidenz, meine Nummer habe ich dort für Notfälle hinterlegt. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen.
    Der freundliche Pfleger heißt in Wirklichkeit Gerold. Er beruhigt mich, Tante Hilde gehe es gut, aber er fragt, ob mir bei meinem Besuch vorgestern irgendetwas aufgefallen sei.
    »Nein. Wieso?«
    »Es sind Medikamente verschwunden.«
    »Aha.«
    »Das muss passiert sein, während Sie da waren!« Seine sanftmütige Stimme kippt, sie klingt plötzlich hartnäckig und fordernd, und ich kann mir vorstellen, wie in diesem Moment sein Lächeln arretiert. Mein schlechtes Gewissen meldet sich: Bekommt der Pfleger jetzt Probleme, weil ich ein paar Tabletten stibitzt habe? Wird er meinetwegen seinen Job verlieren? Das möchte ich nicht.
    »Haben Sie dadurch Unannehmlichkeiten?«
    Unannehmlichkeiten! Ich sage wirklich Unannehmlichkeiten. Wie blöd kann man eigentlich sein? Unannehmlichkeiten

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