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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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bedeutet: Ich habe Mist gebaut, ist mir zwar eigentlich auch egal, aber hoffentlich halten sich die Folgen für Sie in Grenzen. Genauso gut hätte ich auch sagen können: Ich war’s, entschuldigen Sie den Ärger, und Sie brauchen mich gar nicht erst anzuzeigen, ich geh gleich selbst zur Polizei.
    »Unannehmlichkeiten? Nö. Die sind dann eben aus Versehen ins Waschbecken gefallen. Aber es kann gefährlich sein, wenn das Zeug in falsche Hände gerät. Deshalb fragen wir nach.«
    Ich riskiere einen flapsigen Spruch: »Und Sie meinen, meine Hände wären die falschen?«
    Der Pfleger bleibt ernst. »Weiß man nie. Wir möchten nur, dass Sie Bescheid wissen.«
    Bevor er auflegt, erkläre ich, dass ich nichts gesehen hätte, aber um das herauszufinden, hatte er vermutlich gar nicht angerufen. Nein, er wollte mich warnen, damit ich mit den Tabletten keine Dummheiten anstelle. Bestimmt war ich zu dieser Zeit die einzige Besucherin in der Seniorenresidenz, da muss er nur eins und eins zusammenzählen.
    Ich mach mir nix vor: Als Kriminelle bin ich eine Komplettversagerin, ich scheitere schon auf niedrigstem Niveau. Wäre Tom gestorben, hätte ich der Kripo gleich mein Handy in die Hand drücken können mit dem Hinweis: die Seniorenresidenz. Da kam das Norglucon her. Bitte schön, Ihre Beweise.
    Tom lebt zwar noch, und ich bin auf freiem Fuß, aber wie kann ich mich jetzt noch in Tante Hildes Seniorenresidenz blicken lassen? Wäre es egoistisch von mir, sie in ein anderes Heim zu verlegen? Ich fürchte, ja.
    Erst spät komme ich aus dem Büro. Auf dem Weg nach Hause lege ich noch einen Zwischenstopp an der Tankstelle ein, ich brauche Nervennahrung. Aber was nehme ich? Mich lächeln meine Lieblings-Schokotrüffel mit Champagner-Nougat-Füllung an, aber davon sind in jeder Schachtel leider nur elf Stück, die atme ich doch sofort ein; und eine Tafel Schokolade würde auch nur bis zur ersten Werbepause reichen. Ich entscheide mich für eine große Packung Vanilleeis. Mit der hocke ich mich, nachdem ich mein Schlabbershirt und die rotweiß gestreiften Kuschelsocken angezogen habe, daheim aufs Sofa – und ich nehme den großen Löffel! Es ist so tröstend, mein Körper lechzt nach Sahne. Ich schalte den Fernseher ein, der Löffel taucht tief in die weiche Eiscreme ein, und auf dem Bildschirm erscheint ein Liebespaar, das sich leidenschaftlich küsst. Hmpf.
    Während ich hier allein, nur mit der Familienration Vanilleeis an meiner Seite, durch die Programme zappe, werden andere Frauen, um mal Maryams Namen zu vermeiden, von einem Orkan der Leidenschaft umtost, ein muskulöser, großer Kerl packt sie, er zieht sie an sich und küsst sie leidenschaftlich. Die anderen Frauen – oder Maryam. Ich dagegen verbringe meine Freizeit damit, Begonien zu pflanzen. Nein, das ist nicht das Fernsehprogramm von heute, sondern mein eigenes, blödes Kopfkino. Zum ersten Mal ist Vanilleeis keine Lösung. Ich will auch, verdammt. Hat Maryam recht? Brauche ich Ablenkung?
    Während ich langsam das Eis vom Löffel nuckle, male ich mir aus, wie es mit dem großen, muskulösen Kerl wäre, wir treiben es zwischen den Begonien. Schuld ist Maryam.
    Als wären die 1890 kcal, die ich grad in mich hineinlöffle, nicht Sünde genug! Eine Affäre zu haben ist schäbig, widerwärtig und verlogen, das ist doch wohl klar. Aber es macht nicht dick. Und wahrscheinlich tun es irgendwie alle, nur ich bin mal wieder zu doof dazu. Wenn ich sogar an einem lächerlichen Kleindiebstahl im Altersheim scheitere, wie soll ich es da schaffen, einen Lover zu finden? Was die Kontaktaufnahme mit dem anderen Geschlecht betrifft, bin ich komplett aus der Übung, ich wüsste gar nicht mehr, wie man richtig flirtet, schließlich war ich sieben Jahre lang glücklich verheiratet, also fast, es bestand gar nicht die Notwendigkeit. Um mich zu erinnern, wann es das letzte Mal zwischen mir und einem fremden Mann so richtig geknistert hat, müsste ich schon sehr lange überlegen. Das war … das war – neulich!

23
    »Kino 3 bitte.«
    »Einmal?«
    »Ja, einmal.«
    Es ist wieder Dienstag, es ist derselbe Film und dasselbe Kino. Viel besser fühle ich mich auch beim zweiten Mal nicht. Ich frage mich, was mir statt »einsam« dieses Mal alles auf der Stirn geschrieben steht:
Bedürftig? Frustrierte Ehefrau testet aus, was geht?
Ach was, es hat sowieso keine Bedeutung, ich will nur den Film zu Ende schauen. Aber habe ich dafür ein so lotuslastiges Parfüm aufgelegt und vor allem ein so

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