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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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spät, Tom hat bereits gesehen, dass ich ihm etwas zu essen bringe, er setzt sich auf und freut sich: »Das ist aber nett!« Soll ich etwa vor seinen Augen in den Tomatenwürfeln wühlen, um nachzusehen, auf welchen Broten nun die Tabletten verteilt sind? Unmöglich, das könnte alles verraten. O Gott, ich laufe Gefahr, mich selbst zu vergiften, die Chancen stehen fifty-fifty. So sieht Rache à la Nicole aus: Ich koche ihm was Leckeres und bring mich um. Herzlichen Glückwunsch.
    Das Spiel im Fernsehen geht los, Tom greift sich das erste Bruschetta und beißt gierig hinein. »Lecker!«, er schiebt sich gleich das zweite in den Mund und auch das dritte, so eine jugendliche Geliebte macht wohl hungrig. Der Teller ist schon leer, dabei sind beide Mannschaften, wie der Kommentator im Fernsehen gerade anmerkt, noch damit beschäftigt, sich vorsichtig abzutasten.
    »Oh …«, entfährt es Tom bedauernd.
    »Kein Problem«, beruhige ich ihn mit generösem Lächeln und schiebe ihm den zweiten Teller hin, »ich mach neue.«
    Während das Spiel sich steigert, baut Tom immer mehr ab. Das Norglucon leistet in seiner Blutbahn ganze Arbeit und treibt wie geplant den Zuckerspiegel in den Keller. Er hat Mühe, die Augen offen zu halten, die Führung der Deutschen nimmt er teilnahmslos zur Kenntnis, und in der Halbzeitpause nickt er das erste Mal kurz ein.
    »O Mann.« Irritiert reibt er sich die Augen, nimmt die Bierflasche in die Hand und schaut sie misstrauisch an. Er muss schon wieder gähnen, deshalb beschließt er: »Ich geh mal besser hoch.« Vor Spielende ist er bereits im Schlafzimmer verschwunden. Wie ärgerlich für ihn: Deutschland gewinnt 2:0, und Tom bekommt es nicht mit.
    Ich räume die Küche auf, spüle gewissenhaft den Mörser und lege die restlichen Tabletten zu den Küchengewürzen. Für alle Fälle, wer weiß, ob ich sie noch mal brauche.
    Oben ist es still. Ich lasse mir Zeit.
    Als ich zum ersten Mal nachschaue, was das Norglucon mit meinem Mann macht, stehen Schweißperlen auf Toms Stirn, und er atmet kaum noch. Schläft er nur, oder ist er schon ins Koma gefallen? Ich räuspere mich vorsichtig, huste, rufe seinen Namen. Keine Reaktion. Also greife ich zu drastischeren Mitteln, fische eine Brötchentüte aus dem Altpapier, gehe damit ins Schlafzimmer, blase sie auf und bringe sie neben seinem Kopf mit lautem Knall zum Platzen. Wenn mein Mann jetzt nicht tot ist, dann hat er morgen zumindest ein heftiges Piepen im Ohr. Aber er macht keinen Mucks mehr. Ich stupse ihn mit ausgestrecktem Finger an, erst ganz vorsichtig, dann piekse ich ihn in die Seite, immer stärker. Schließlich packe ich ihn an der Hüfte und rüttle ihn kräftig durch. Nichts. Ich horche, ob er noch atmet, und fühle seinen Puls.
    Also, nach meinem Dafürhalten wäre er jetzt gestorben, die Vitalfunktionen oder wie das heißt sind gleich null. Aber ich bleibe misstrauisch, und einen Arzt darf ich noch nicht rufen, denn nach allem, was ich im Internet gelesen habe, dauert es eine Weile, bis das Norglucon im Körper abgebaut ist, momentan wäre es bei einer Untersuchung vielleicht noch nachweisbar.
    Untreuer Blödmann hin oder her – ich mag nicht neben einer Leiche einschlafen, deshalb rede ich mir ein, dass er vielleicht noch ein bisschen lebt. Von Toms Körper will ich so weit wie möglich wegbleiben, deshalb dränge ich mich an die äußerste Kante unseres Ehebetts und starre ihn an. Er ist mir unheimlich, außerdem liegen die Brötchenkrümel, die vorhin aus der Papiertüte geflogen sind, alle auf meiner Seite. Ausgerechnet.
    In dieser Nacht träume ich, dass Tom und ich Golf spielen, wir ziehen gemeinsam von Loch zu Loch, und Tom ist unvorsichtig, immer wieder stellt er sich in die Spielbahnen der Nachbarlöcher, die Bälle segeln rechts und links an ihm vorbei, bis ihn schließlich ein fremder Golfball am Hinterkopf trifft. Alle rennen weg, und ich bleibe mit dem toten Tom allein zurück.
    Als ich aufwache, ist es draußen schon hell, die Vögel zwitschern fast genauso wie vorhin auf dem Golfplatz, und von Niemeyers nebenan wummern wieder The Grateful Dead herüber. Ich blinzle in die Sonnenstrahlen, die sich zwischen den Vorhängen hindurchmogeln. Es tut so gut, die Wärme und Nähe einer Hand zu spüren …
    Eine Hand?
    »Aaaaaaaaaaaah!«
    Schluss mit der morgendlichen Idylle, ich schreie, so laut ich kann. Hunde bellen, die Vögel flattern davon, irgendwo fängt ein Baby an zu weinen. Niemeyers allerdings drehen erst mal die Musik

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