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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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dann flog gleich zu Anfang die Babysitterin aus dem Fenster und lag tot auf der Straße. Das Gemetzel nahm seinen Lauf. Chucky, die Mörderpuppe lief Amok. Und ich saß vor Angst bibbernd im Kino.
    Danach habe ich alle Puppen und Kuscheltiere aus meinem Zimmer verbannt. Mit zehn Jahren – meine Mutter hat sich ernsthaft Sorgen gemacht, aber ich dachte, vielleicht verwandeln meine Monchichis sich nachts in blutrünstige Monster mit langen, spitzen Zähnen und wollen mich ermorden, so wie Chucky. Man weiß ja nie.
    Wir erzählen uns unser Leben in Filmen.
Harry & Sally
habe ich zwar öfter gesehen, aber Björn kann die Dialoge besser.
    »›Ist das Leben nicht schön?‹«
    »Ja! Mit Cary Grant.«
    »James Stewart«, korrigiert er mich.
    »Stimmt. Zu Weihnachten Pflicht.«
    Im nächsten Moment spiele ich Björn die hinreißende Szene aus
Dirty Dancing
vor, in der Jennifer Grey das erste Mal dem tollen Tanzlehrer begegnet und sich mit dem legendär dämlichen Satz vorstellt: »Ich habe die Wassermelone getragen.« Ich konnte mich so gut in sie hineinversetzen, sie hatte mein volles Mitgefühl, jeder kennt solche peinlichen Momente: Man steht endlich dem Objekt der Begierde gegenüber und plappert nur noch sinnloses Zeug. Ist mir auch schon passiert.
    »Ich hab einem Jungen, in den ich verschossen war, mal angeboten, ich könnte ihm Mathe erklären«, gestehe ich.
    »Was soll daran schlimm sein? Das war doch sehr nett von dir.«
    »Wenn man Mathe kann … Er hat eine Fünf bekommen und ist deshalb sitzengeblieben.«
    »Oh. Was macht er heute?«
    »Ich hab ihn neulich vor der Waschstraße getroffen. Ihm geht’s gut, er wirkte ganz zufrieden, wie er den Leuten die Autos eingeseift hat.«
    Jetzt ist Björn mit einer Wassermelonenstory dran: »Einmal hatte ich vorher einen Zahnarzttermin.«
    »Mit Betäubung?«
    »Klar. Ich saß ihr die ganze Zeit gegenüber und hab nicht gemerkt, dass ich aus dem Mundwinkel sabber.«
    »Ach, mach dir nichts draus«, tröste ich ihn, »viele Männer sabbern, wenn sie Frauen gegenübersitzen.«
    Nanu? Was macht meine Hand auf seinem Knie? Ist sie schon lange dort? Und wieso sagt er nichts, sondern schaut mich einfach nur an mit diesen faszinierend lebendigen, leuchtend grünen Augen, mit einem Karamellrand um die Pupille? Mein Herz wummert. Wassermelonen haben keine Saison.
    Unsere Hände berühren sich. Wenn er mich jetzt küsst, garantiere ich für nichts mehr.
    »Na, ihr Turteltäubchen. Darf’s denn noch was sein?«
    Ja, danke der Nachfrage. Eine andere Kneipe bitte, in der der Idiot von einem Wirt nicht ausgerechnet im falschesten Moment aufkreuzt! Eines sind wir nicht mehr: Turteltäubchen. Denn zack! meldet sich bei mir die Vernunft, die alte Spaßbremse, und findet, Küssen geht zu weit. Also nehme ich meine Hand von Björns Knie, ich schaue hoch: An unserem Tisch sitzen wir wie auf dem Präsentierteller, ein paar der Gäste an der Theke feixen, sie hatten sich wohl bereits über uns unterhalten.
    Schnell weg hier. Ich schau auf die Uhr: »Oh, schon elf. Ich muss morgen früh raus.« Und zum Deppenwirt sage ich: »Zahlen, bitte.«
    Draußen gehen Björn und ich noch ein paar Schritte weit zusammen und versichern uns gegenseitig, wie schön der Abend war. Wir umarmen uns zum Abschied, und am liebsten würde ich ihn noch viel länger festhalten. Er küsst mich sanft auf den Mund, und als wir uns trennen, will er meine Hand gar nicht mehr loslassen.
    Als ich mich endlich umdrehen will, um zum Taxi zu gehen, ruft er: »Übrigens: Coole Jacke!«
    Eine Dreiviertelstunde später liege ich neben meinem Mann im Bett. Wenn er schon nicht leblos ist, dann wenigstens ahnungslos. Herrlich. Mein Herz pocht die ganze Zeit vor Aufregung, und ich drücke mein Handy an die Brust, auf dem gerade mit sanftem Vibrieren eine SMS eingetrudelt ist: »Bis bald!? ☺«
    Ist das Leben nicht schön?

26
    »Wo kommt die Jacke denn wieder her?« Tom zieht sie skeptisch mit zwei Fingern hervor; gestern Abend hatte ich sie, nachdem ich nach Hause gekommen war, an die Garderobe gehängt.
    »Hab sie wiedergefunden.«
    Ich verabschiede ihn mit Küsschen. Tom zögert, er will etwas sagen, doch er lässt es, er wirkt irritiert, als er das Haus verlässt. Hat er gemerkt, dass etwas anders ist?
    Ich habe noch ein bisschen Zeit, bis ich los muss, trinke in Ruhe meinen Milchkaffee zu Ende und spaziere durchs Wohnzimmer. Interessant, welche Bücher von Tom im Regal stehen. Zwischen dicken Bildbänden über Oldtimer und

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