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Nicht Totzukriegen

Titel: Nicht Totzukriegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Vaske
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Schmerzen.
    »Die Frisur, der knackige Hintern, das ist unglaublich! Du bist eine ganz andere Frau! Und die Jacke, wo hast du nur diese sensationelle Lederjacke her? Wie haben sie den Used-Look hinbekommen?«
    »Weiß nicht. Hab sie aus dem Schrank geholt. Sie ist einfach alt …«
    »Was sagt Tom denn dazu? Dem muss das doch auch auffallen. Der ist doch nicht blind.«
    Es fällt Tom nicht auf. Er hat ein Bier aus dem Kühlschrank geholt und sich zum Fußballschauen vor den Fernseher gefläzt. »Wichtiges Spiel«, sagt er, und wahrscheinlich stimmt es, mindestens so wichtig wie zehn andere an diesem Wochenende und zwölf am nächsten. Obwohl – ich tu ihm unrecht, morgen setzt er ganz klar andere Prioritäten, da wird er nicht Fußball schauen! Nein, gegen Mittag wird er in seine kleine Privatwerkstatt fahren, um an seinem MG Roadster herumzuschrauben – oder doch an Yvonne?
    Ich setze mich neben ihn auf die Lehne. Er lächelt mich kurz an, dann konzentriert er sich wieder aufs Spiel. Nächster Versuch: Ich ziehe in der Kommode neben dem Fernseher, also direkt in seinem Blickfeld, eine Schublade auf, dazu beuge ich mich im Stehen ganz weit vor, so dass schon mein Oberschenkel zu krampfen beginnt, und wühle in alten CD s. Dabei wechsle ich alle paar Sekunden das Standbein. Ich gewähre ihm einen verführerischen Blick auf meinen Allerwertesten.
    »Weißt du, wo mein iPod ist, Tom?«
    »Nich gesehen.« Er wirkt schon leicht genervt, sein Blick bleibt auf dem Bildschirm kleben.
    Zehn Minuten später tänzle ich mit iPod vor dem Fernseher her: »Hab ihn gefunden. Lag in der Schublade im Flur.« Von ihm kommt nur ein bestätigendes Grunzen, sonst nichts. Ich weiß, so sind Männer nun mal, ihr Verhalten ist evolutionär bedingt, es gibt sogar einen wissenschaftlichen Ausdruck dafür: Veränderungsblindheit. Männer sehen nur das für sie Wesentliche, alles andere blenden sie aus, und wenn in der beginnenden Steinzeit der berühmte Säbelzahntiger – es muss von den Viechern damals nur so gewimmelt haben – zum Sprung ansetzte, dann hat der Höhlenbewohner an sich nicht darauf geachtet, ob denn in dem Gebüsch, in dem die Bestie lauerte, auch die Rosen schön blühen, sondern er ist geflüchtet. Das hat die Art erhalten. Doch so vertraut mir männliches Steinzeitverhalten nach sieben Jahren Ehe ist und sooft ich mich auch umschaue, in unserem Wohnzimmer streunt keine urzeitliche Raubkatze, es gibt nur mich, Tom und einen schläfrigen Labrador-Retriever, da könnte er also sein Weib packen und an den Haaren in seine Höhle schleifen, zumindest könnte er sagen, dass ihm meine neue Frisur gefällt.
    Arterhaltend ist an seinem Verhalten gar nichts, oder hängt das Überleben unserer Spezies etwa davon ab, wer ihn bei Eintracht gegen Borussia als Erstes reinmacht?
Irgendwas
an meinem Styling muss ihm doch auffallen. Er könnte mir wenigstens eine Chance geben.

31
    Was für ein strahlend schöner Tag! Der Himmel präsentiert sich so zartblau wie die weißen T-Shirts, die ich vorhin aus der Waschmaschine gezogen habe, ein gewisses Männerhemd hatte sich dazwischengemogelt, woher das wohl kam? Ich muss raus, was hält mich noch zu Hause, der Garten etwa? Noch mehr Begonien passen einfach nicht unters Küchenfenster. Und wenn mir noch eine Minute länger diese zugekiffte Hippiemucke von The Grateful Dead um die Ohren dröhnt, dann werden als Nächste Niemeyers nebenan Opfer eines Mordanschlags.
    Lieber statte ich meinem Mann in der Werkstatt einen Besuch ab.
    In den Wiesen entlang der schmalen Straße nach Stinsbach leuchten rote und blaue Blumentupfen; Kornblumen und Klatschmohn blühen bereits; sie lösen den Raps ab, der wenige Wochen zuvor noch als fetter gelber Teppich die Landschaft überzogen hat. Über die Autobahn ginge es schneller, vermute ich, aber der Weg über die Dörfer ist einfach viel schöner zu fahren.
    Der alte Schuppen, in dem Johannes und mein mich verschmähender Mann gemeinsam die Garage mit der kleinen Werkstatt eingerichtet haben, liegt etwas oberhalb des kleinen Weilers, früher hatten die Bauern aus dem Dorf darin ihre Gerätschaften abgestellt. Später hatte jemand ihn zu einer kleinen Reparaturwerkstatt für Fahrräder, Landmaschinen und die ersten Autos ausgebaut, und nach dem Krieg soll sogar eine Flüchtlingsfamilie darin gewohnt haben. Um dorthin zu gelangen, verlässt man an der ehemaligen Dorfschänke die Hauptstraße und biegt rechts ab, um dann gleich hinter dem Ortsschild links

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